20.12.2016 23:53:57
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Aachener Zeitung: Besonnen bleiben / Zuversicht statt Angst, Beistand statt Hetze / Kommentar von Peter Pappert
Aachen (ots) - Jetzt wird über notwendige und ausreichende oder
ungenügende Sicherheit auf öffentlichen Plätzen diskutiert. Das ist
verständlich und richtig; jeder, der sich daran beteiligt, sollte
sich zuvor informieren, die Analysen der Sicherheitsexperten
wenigstens zur Kenntnis nehmen und abwägen. Hätte man den Anschlag in
Berlin verhindern können, wenn doppelt so viele Polizisten vor Ort
gewesen wären? Sehr wahrscheinlich erscheint das nicht. Ob das
Attentat an der Berliner Gedächtniskirche ein Terroranschlag war und
womöglich ein islamistisch motivierter, ist bisher nicht erwiesen.
Wer sich Gespür für Anstand und den Sinn für Fakten bewahrt hat, ist
erschrocken, wie wenig Hemmungen es gibt, ein derart grauenvolles
Geschehen sofort für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren.
Und man ist noch mehr entsetzt, dass jene, die mit ihrer perversen
Ideologie oder konkreten Plänen Terrorattentate vorbereiten und
durchführen, hierzulande offensichtlich politisch-strategische
Mitläufer haben. "Es sind Merkels Tote", hat Marcus Pretzell,
AfD-Europaabgeordneter und Spitzenkandidat seiner Partei für die
nordrhein-westfälische Landtagswahl, unmittelbar nach dem Vorfall am
Montagabend geschrieben. Er erfüllt damit genau jene islamistische
Taktik, die darauf aus ist, die demokratische, pluralistische
Gesellschaft zu verunsichern und politisch aufzuhetzen. Dass sich
führende AfD-Politiker dafür hergeben, spricht für sich und deren
Charakterlosigkeit. Die AfD-Spitzen Petry und Gauland äußern sich
ähnlich, wenn auch nicht ganz so platt und abscheulich wie Pretzell.
Es gibt noch keine öffentlich verkündeten gesicherten Erkenntnisse
darüber, wer der Täter ist und woher er kommt. Aber selbst für den
Fall, dass es ein Flüchtling sein sollte, ist es einfach nur
widerwärtig, eine kausale Linie zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin
zu ziehen. Wer das tut, wer so wenig Respekt vor den Opfern hat, wer
gar nicht an Beruhigung und Besinnung interessiert ist, sondern
besinnungslos Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und
fremden Menschen sät, verlässt den demokratischen Grundkonsens, den
jede Gemeinschaft braucht, und verhindert das, was jetzt nötig ist:
klarer Kopf, Geduld und Zuversicht. Wir können Gott sei Dank
Zuversicht haben, weil wir trotz allem in einem der sichersten Länder
der Welt leben. Wenn gemordet und anschließend so argumentiert wird,
wie es gestern leider zu erleben war, dann spielen sich der
Attentäter beziehungsweise sein Auftraggeber auf der einen Seite und
ein Heißsporn wie Pretzell auf der anderen Seite in die Hände. Beide
wollen Angst und Hass schüren, sie wollen das zugrunde richten, was
diese Republik stark und attraktiv gemacht hat: Offenheit,
Liberalität, Rücksicht, Anstand. Sie hassen die alten bürgerlichen
Tugenden, die Werte des Grundgesetzes und vor allem die freiheitliche
Kultur des Westens.
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