11.07.2014 20:15:58

Allg. Zeitung Mainz: Hinschauen / Kommentar zu Sport und Politik

Mainz (ots) - Geht die Kanzlerin wieder in die Kabine? Nur wenn die deutsche Mannschaft den Titel holt oder auch, wenn sie das Endspiel gegen Argentinien verlieren sollte? Diese Fragen sind so lapidar, wie sie kollektive Fantasien freisetzen. Und sie zeigen, wie sparsam, aber wirkungsvoll Angela Merkel Gesten und Symbole einzusetzen weiß. Sport und Politik, das Begriffspaar kommt nicht immer so harmlos daher wie in diesem Fall. Das Begriffspaar klingt auch gleich nach einem Skandalon. Dabei sind die beiden Sphären Sport und Politik so wenig voneinander zu trennen, wie sie stets ambivalente Wirkungen entfalten. Im internationalen Leistungssport geht es immer um Nationalstolz, der leicht in Nationalismus umschlagen kann, und zugleich auch um Fair Play und Verständigung. Das Integrierende des Sports und die Diskriminierung liegen ebenfalls eng beieinander. Vor allem aber lässt sich der Sport - die Identifikation mit den Helden unserer Zeit, die Chance, sich der Welt als Ausrichter zu präsentieren - trefflich politisch missbrauchen. Doch auch hier sind die Fragen leichter zu stellen, als die Antworten zu geben. War es ein Fehler, die letzten Olympischen Winterspiele und die nächste Fußball-WM an Russland zu vergeben? Oder hat andersherum betrachtet Wladimir Putin seine kriegerische Politik in der Ost-Ukraine nicht deshalb beendet, weil er bei der morgigen Staffelübergabe in Rio de Janeiro nicht mehr als Aggressor wahrgenommen werden will? Brasilien, Russland, Katar, die Reihe macht schon deutlich, wie unterschiedlich die Problemlagen sind. Bei der Vergabe der Spiele und Turniere wie im 20. Jahrhundert fast ausschließlich den europäisch-nordamerikanischen Club der vermeintlich Aufgeklärten zu berücksichtigen, kann jedenfalls die Lösung nicht sein. Es geht vielmehr um die Bedingungen, zu denen die Weltereignisse des Sports vergeben werden. Und es geht darum, soviel wie möglich dafür zu tun, dass sie eine positive Wirkung entfalten. Die Verantwortung der Fifa und des Olympischen Komitees ist enorm gewachsen, und beide werden ihr zweifelsohne bisher nicht gerecht. Sie drücken sich mit der Ausrede der Zurückhaltung des Gastes und der verqueren Haltung, den Sport nicht politisieren zu wollen. Aber auch wir haben es in der Hand, wie Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele nachwirken. Interessieren wir uns (ganz persönlich, unsere Politiker, unsere Medien) nach dem Schlusspfiff von Rio noch für die mörderische soziale Spaltung der brasilianischen Gesellschaft? Oder schauen wir demnächst lieber weg, wenn die Massen wieder auf die Straße gehen werden?

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Pressekontakt: Allgemeine Zeitung Mainz Wolfgang Bürkle Newsmanager Telefon: 06131/485828 online@vrm.de

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