29.07.2018 00:37:43
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BERLINER MORGENPOST: Menschenleben gehen vor / Kommentar von Lorenz Vossen zu Vorwürfe gegen Berliner Polizei
Der vollständige Kommentar: Natürlich gilt zuallererst die Unschuldsvermutung, auch für Polizeibeamte. Doch sollte die Einschätzung des Landgerichts zutreffen, dann wäre das Berliner Landeskriminalamt (LKA) - nach der Akte Amri - um einen handfesten Skandal reicher. Am 10. Januar 2014 wurde Taher Ö. in einem Reinickendorfer Wettbüro durch sechs Schüsse getötet. Seither läuft der Prozess gegen elf Angeklagte, zehn davon gehören der Rockerbande "Hells Angels" an. Darunter auch deren Anführer Kadir P., der den Mord in Auftrag gegeben haben soll. Die Staatsanwaltschaft vermutet einen Racheakt. Nun deuten die Richter aber an, dass der Mord hätte verhindert werden können. Bereits drei Monate vor der Tat sollen die Ermittler der LKA-Fachdienststelle Organisierte Kriminalität von der drohenden Gefahr für das spätere Opfer gewusst - und nichts unternommen haben. Man habe"bewusst und unter billigender Inkaufnahme der Tötung zwingend gebotene polizeiliche Maßnahmen" unterlassen, heißt es. Konkret bedeutet das: Die Beamten könnten sich des Totschlags durch Unterlassung schuldig gemacht haben - eine schwerwiegende Straftat. Bei Ermittlungen wie denen im Fall Taher Ö., aber auch im Fall Amri, wandeln die Polizisten auf einem schmalen Grat. Je länger die verdeckten Ermittlungen andauern, desto größer die Beweislast und die Chance auf eine Verurteilung. Erfolgt der Zugriff zu früh, kann die gesamte Arbeit umsonst gewesen sein. Auf der anderen Seite muss die Gefahrenabwehr, der Schutz von Menschenleben, immer an erster Stelle stehen. Unabhängig davon, ob es sich bei dem möglichen Opfer wie Ö. um einen Kriminellen handelt oder nicht. Das LKA sollte seine internen Angelegenheit so schnell und transparent wie möglich aufarbeiten. Um sich dann wieder seiner eigentlichen Aufgabe widmen zu können: der Verfolgung der organisierten Kriminalität.
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