05.05.2018 23:27:42
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BERLINER MORGENPOST: Wachsendes Misstrauen / Leitartikel von Michael Backfisch zu Raketen in Kaliningrad
Der vollständige Leitartikel: Es ist nicht gerade ein beruhigendes
Gefühl, zu wissen: Russland stationiert atomar bestückbare
Iskander-Raketen in Kaliningrad. Es handelt sich um Flugkörper mit
500 Kilometern Reichweite - genug, um im Ernstfall auch Berlin zu
treffen. Man muss deshalb nicht in Alarmismus verfallen. Aber das
Misstrauen zwischen dem Westen und Russland verfestigt sich. Die
Blütenträume der 90er- Jahre, eine "Partnerschaft für den Frieden"
mit dem ehemaligen Erzfeind zu schaffen, welkten schnell. Spätestens
nach dem Georgienkrieg 2008 wusste man zwischen Washington, Paris und
Berlin, mit welcher Brutalität der Kreml Waffengänge führen kann.
Doch der Schlüsselmoment der Entfremdung kam mit der Krim-Annexion
durch Russland im März 2014. Erstmals seit Ende des Zweiten
Weltkriegs wurde der in der Schlussakte von Helsinki 1975 vereinbarte
Grundsatz von der Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa mit Füßen
getreten. Dieser als sakrosankt geltende Nachkriegs-Konsens war auf
einmal erschüttert. Die militärische Einmischung Russlands in der
Ostukraine verschlimmerte die Lage noch. Im Westen kam es zu
Enttäuschung und völliger Desillusionierung. Mit der
Militär-Intervention im syrischen Bürgerkrieg im September 2015
unterstrich Moskau, dass es nicht nur "hybriden Krieg" führen kann
wie in der Ostukraine, sondern im Zweifel auch in die offene Schlacht
geht. Bei allen Vorwürfen, die man dem Westen wegen seiner fehlenden
Syrien-Strategie machen kann: Kremlchef Wladimir Putin deckte immer
wieder die Aushungerungs-Feldzüge des Autokraten Baschar al-Assad,
der über unzählige Leichen geht, um seine Macht abzusichern. Russland
unterstützt ihn mit allen Mitteln - zur Not auch, um Anschuldigungen
des Chemiewaffeneinsatzes abzubügeln. So blockierte Moskau im
UN-Sicherheitsrat die Syrien-Inspektion der Organisation für das
Verbot chemischer Waffen (OPCW) . Warum? Hätte Assad eine weiße
Weste, müsste er nichts befürchten. Die Summe dieser Aktionen sowie
die Cyberangriffe auf den Bundestag oder das Außenministerium, bei
denen alle Spuren nach Moskau weisen, zerstören noch vorhandenes
Restvertrauen und führen zu Ernüchterung. Der deutsche Chefdiplomat
Heiko Mass bringt es auf die Formel: "Russland hat sich selbst immer
mehr in Abgrenzung und teilweise Gegnerschaft zum Westen definiert"
und agiere "zunehmend feindselig". Diese Einschätzung ist zutreffend,
selbst wenn man einräumen muss, dass der Westen nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion Fehler gemacht hat. Es hat an Respekt
für die frühere Weltmacht gefehlt. So offenbart die spöttische
Sentenz von der "Regionalmacht Russland" (Barack Obama) einen
eklatanten Mangel an politischer Psychologie. Bei der Osterweiterung
von EU und Nato hätte man mit mehr Fingerspitzengefühl Reibungen
vermeiden können. Dies alles heißt nicht, dass politische oder gar
militärische Konfrontation mit Russland der richtige Weg ist. Doch
das Plädoyer der Beschwichtiger von Teilen der SPD, FDP, CSU und - ja
der AfD wird den weltpolitischen Ambitionen Russlands unter Putin
ebenso wenig gerecht. Ein Abbau der Sanktionen gegen Zugeständnisse
im Ukraine-Konflikt, wie dies der frühere Außenminister Sigmar
Gabriel immer wieder vorgeschlagen hat, ist bestenfalls eine Wette
auf die Zukunft. Wohlgemerkt: Dialog mit Russland ja. Aber die
Gesprächsbereitschaft sollte aus einer Position der Stärke und der
politischen Konsequenz erfolgen. Diese Sprache versteht der
Machtpolitiker Putin. Alles andere wäre Schönfärberei.
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