DAX
30.03.2016 18:12:39
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Börse Frankfurt-News: "Rückkehr der Taube" (Marktstimmung)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 30. März 2016. Professionelle Investoren ziehen sich aus dem Markt ganz zurück. Vermutlich rechnen sie mit wenig Bewegung. Privatanleger nehmen währenddessen Gewinne mit - insgesamt kein schönes Szenario.
Möchte man die Kommunikationspolitik des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (FOMC) beschreiben, dann könnte man folgendes Bild wählen. So kommt es einem als Börsianer mitunter vor, als säße man im Kino und warte gebannt darauf, dass der neue, spannende Film mit atemberaubenden Action-Szenen beginnt. Doch das, was da am Ende gezeigt wird, ist nichts andere als die x-te Wiederholung von altbekannten und abgenutzten Klischees. Ähnlich erging es gestern bestimmt vielen Beobachtern, als Fed-Chefin Janet Yellen in ihrer mit Spannung erwarteten Rede beim "Economic Club of New York" andeutete, dass die Notenbank weiterhin einen ausgesprochen vorsichtigen geldpolitischen Kurs fahren werde.
Damit vollzog sich erneut ein altbekanntes Muster. Wir erinnern uns: Bei seiner vergangenen Sitzung überraschte der FOMC die Börsianer mit einem durchaus als taubenhaft zu bezeichnenden Statement hinsichtlich der künftigen Geldpolitik. Dies wurde vor allen Dingen an den deutlich nach unten korrigierten Zinsprognosen der Mitglieder des Offenmarktausschusses erkennbar. Doch im weiteren Verlauf bemühten sich dann diverse Vertreter dieses Gremiums, die Erwartung zu zerstreuen, dass es die US-Notenbank womöglich mit weiteren Zinserhöhungen nicht besonders eilig habe. Mit anderen Worten: Ein falkenhaftes Statement jagte das nächste, weshalb bis gestern lediglich fraglich blieb, ob die Fed-Chefin diesen Kurs bestätigen würde. Und auch dieses Mal zeigte sich Janet Yellen dann taubenhaft wie immer.
Kein Wunder also, dass es zuletzt auch beim DAX zu Kursgewinnen kam, wobei diese sich, wohl auch aufgrund der Osterfeiertage, im Rahmen hielten. Immerhin hat sich die Stimmung der von uns allwöchentlich befragten institutionellen Investoren ebenfalls verbessert, was sich an einem Börse Frankfurt Sentiment-Index von +11 Punkten festmachen lässt - in der Vorwoche lag dieser noch auf der neutralen Nulllinie.
Wer jedoch gedacht hatte, dass die Akteure die Rede Yellens als deutliches Kaufsignal interpretieren würden, musste sich getäuscht sehen. Denn hinter der verbesserten Stimmung stecken nicht etwa neue bullishe Engagements. Letztere haben sich sogar etwas verringert. Tatsächlich gab es bei den Pessimisten einen sehr deutlichen Abgang, denn diese Gruppe verringerte sich um gut ein Drittel. Gleichzeitig hat sich das Lager der neutral gestimmten Investoren um 15 Prozentpunkte auf 35 Prozent aller Befragten stark erhöht; dies ist der höchste Stand seit Beginn unserer Aufzeichnungen.
Privatanleger ziehen sich etwas zurück
Ganz anders gestaltet sich die Stimmungslage bei den Privatanlegern. In dieser Gruppe konnte ein Rückgang des Börse Frankfurt Sentiment-Index um 10 Punkte auf einen Wert von +25 Punkte ermittelt werden. Interessanterweise hat hier eine stattliche Zahl Optimisten (8 Prozent aller Befragten) möglicherweise den Zwischenstand des DAX von rund 10.100 Zählern am Tage unserer vergangenen Erhebung zu Gewinnmitnahmen genutzt.
Mit der heutigen Stimmungserhebung haben sich die Sentiment-Indizes der institutionellen und der privaten Anleger, die zuletzt extrem divergierten, wieder etwas angenähert. Unter dem Strich zeigt jedoch vor allen Dingen die starke neutrale Stimmung der institutionellen Anlegern, dass man in den kommenden Wochen anscheinend mit wenig volatilen Märkten rechnet. Dafür sprechen auch die nun als deutlich gesunken eingeschätzten Wahrscheinlichkeiten vieler Börsianer, dass die US-Notenbank bei ihren kommenden Sitzungen im April und im Juni die Zinsen überhaupt noch anheben wird.
Allerdings ist die zuletzt deutlich reduzierte Gruppe der Pessimisten für den DAX eher als ungünstig zu werten. Denn bei Kursrückgängen fällt damit ein guter Teil etwaiger stützender Nachfrage aus. Mehr noch muss man sich sogar die Frage stellen, warum der DAX trotz der jüngsten deutlichen Rückkäufe ehemaliger Skeptiker nicht stärker gestiegen ist.
Zwar sind die Sentiment-Indizes im Jahresvergleich sowohl bei den institutionellen als auch bei den privaten Investoren immer noch leicht pessimistisch bzw. neutral. Aber die jüngste Entwicklung ist auch ein Indiz dafür, dass es außerhalb unserer Panels (möglicherweise ausländische) Abgeber von Aktien geben mag, die einen deutlicheren Vormarsch des DAX derzeit zu verhindern scheinen. Und das, obgleich die Geldpolitik der Fed, aber auch der Europäischen Zentralbank den Aktienbörsen eigentlich nutzen müsste.
von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
© 30. März 2016
Über den Börse Frankfurt Sentiment-Index
Der Börse Frankfurt Sentiment-Index bewegt sich zwischen -100 (totaler Pessimismus) und +100 (totaler Optimismus), der Übergang von positiven in negative Werte markiert die neutrale Linie. Die Werte des früheren Cognitrend Bull/Bear-Index sind auf die neue Skalierung umgerechnet worden.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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