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01.07.2018 20:18:41

GESAMT-ROUNDUP 3: CSU verschärft Asyl-Konfrontation mit Merkel

(neu: Reaktionen Bouffier, Altmaier, Söder, Bartsch.)

BERLIN/MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die CSU hat die Konfrontation mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Asylstreit nochmals verschärft. Parteichef Horst Seehofer bewertete deren Verhandlungsergebnisse beim EU-Gipfel sehr kritisch. Sie seien nicht wirkungsgleich mit den von der CSU verlangten Zurückweisungen an der deutschen Grenze, sagte der Bundesinnenminister am Sonntag in einer Vorstandssitzung in München, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Das CDU-Präsidium stellte sich dagegen geschlossen hinter Merkels Pläne. Bis zum Abend blieb ungewiss, was die erneute Eskalation für den Bestand der Koalition bedeuten könnte.

Seehofer nannte die EU-Beschlüsse kein "wirkungsgleiches Surrogat" (keinen gleichwertigen Ersatz). Er widersprach damit direkt Merkel. Die Kanzlerin hatte bei der Aufzeichnung eines Sommerinterviews der ZDF-Sendung "Berlin direkt" zur Frage, ob die Forderungen der CSU erfüllt seien, gesagt: "In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlossen haben, ist das wirkungsgleich. Das ist meine persönliche Auffassung. Die CSU muss das natürlich für sich entscheiden."

Beim Gipfel in Brüssel hatte sich die EU auf weitere Verschärfungen der Migrationspolitik verständigt. So sollen Bootsflüchtlinge in zentralen Sammellagern in der EU untergebracht werden. Merkel erhielt nach eigenen Angaben zudem Zusagen mehrerer Länder, über schnellere Rückführungen von Migranten zu verhandeln. Außerdem wurden am Samstag überraschend weitgehende zusätzliche Asyl-Vorschläge Merkels bekannt.

Einen davon lehnte Seehofer nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Teilnehmer in der CSU-Sitzung ebenfalls ab. Merkel hatte angeregt, anderswo in der EU registrierte Flüchtlinge in den geplanten "Ankerzentren" in Deutschland unterzubringen. Sie sollen dort ein beschleunigtes Verfahren durchlaufen und sich nicht entfernen. Die Abkürzung steht für: Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung beziehungsweise Rückführung (AnKER).

Kern des Unions-Streits sind Pläne Seehofers, in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber notfalls im Alleingang an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Merkel lehnt einseitige Aktionen ab und pocht auf ein europäisch abgestimmtes Vorgehen. Für Seehofer sind die beim EU-Gipfel erzielten Einigungen eine unzureichende Alternative, wie er im Vorstand nach Teilnehmerangaben erklärte. Deutschland würde sich nur zusätzliche Probleme einhandeln. Es sei noch zu früh, von einem Erfolg zu sprechen. "Es ist noch viel zu tun", betonte Seehofer. Er hatte noch am Samstagabend mit Merkel unter vier Augen gesprochen.

Bei der CDU kamen das Präsidium und dann der größere Vorstand in Berlin zusammen, während die CSU-Sitzung noch lief. Angesichts der neuen Eskalation mahnte CDU-Bundesvize Volker Bouffier zur Besonnenheit. Entscheidend sei, "dass die Union beieinander bleibt". Das sei die Grundlage für eine stabile Bundesregierung, ohne die man deutsche Interessen nicht vertreten könne. "Ich denke und hoffe, dass das alle so sehen." Er betonte: "Es kann ja nicht im Ernst darum gehen, ob etwas mehr oder weniger wirkungsgleich ist." Europa habe sich bewegt wie noch nie, auch auf Druck der CSU. "Es wäre aus meiner Sicht höchst unklug, wenn wir jetzt unabgestimmt als Antwort nationale Maßnahmen machen."

Merkel hatte zuvor offen gelassen, inwiefern eine Lösung zu finden sei. Sie sagte im ZDF, sie werde alles daran setzen, dass es sowohl bei CDU als auch CSU Ergebnisse gebe, "bei denen wir Verantwortung für unser Land wahrnehmen können". Für die Union seien es wichtige Beratungen, es stehe viel im Raum. "Dass es ernst ist, weiß jeder." Merkel betonte, sie wolle, dass CDU und CSU gemeinsam weiter arbeiten können. Für sie gelte aber nach wie vor: nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter. Sie verstehe das Anliegen, mehr Ordnung in Weiterreisen registrierter Asylbewerber zu bringen. Dem sei sie mit Vereinbarungen auf EU-Ebene entgegengekommen.

Die Kanzlerin ging nicht auf die Frage ein, ob sie Seehofer notfalls als Minister entlassen würde - dies würde das Ende der Koalition bedeuten. Sie ließ auch offen, ob sie eine Vertrauensfrage im Bundestag stellen würde. Für diesen Montag ist eine Sitzung der gemeinsamen Unionsfraktion im Bundestag geplant. In der neuen Woche soll zudem der Bundeshaushalt 2018 vom Parlament beschlossen werden.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte vor der CDU-Vorstandssitzung, bei dem Streit gehe es um sehr viel mehr als die Schwesterparteien - "das Ansehen des Landes, die Handlungsfähigkeit und die Regierungsfähigkeit". Dies werde in den nächsten Tagen der entscheidende Punkt sein. Man versuche, zusammenzubleiben und gemeinsam zur Tagespolitik zurückzukehren.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warb in der CSU-Sitzung dafür, dass seine Partei ihre eigenen Überzeugungen nicht aufgeben dürfe. Die Menschen würden spüren, ob Politiker aus Angst oder Überzeugung handelten, sagte er nach Teilnehmerangaben "Und wenn ich vor der Wahl stehe, fällt die Entscheidung eindeutig." Mit Blick auf die EU-Beschlüsse zeigte sich Söder skeptisch. Sie seien vage. Er kritisierte auch, dass es Widerspruch aus mehreren EU-Ländern gebe, die einem Papier der Bundesregierung zufolge auf politischer Ebene zugesagt hätten, Rückführungsabkommen zu schließen. Die CSU wolle die Regierung nicht stürzen, ein Kompromiss müsse aber glaubwürdig sein.

Die SPD als dritter Koalitionspartner hatte die CSU am Wochenende zu einem Ende der Eskalation aufgefordert und positionierte sich in einem eigenen Papier. Demnach steht sie für eine "gesamteuropäische Lösung", für ein "europäisches Asylsystem und solidarisch geteilte Verantwortung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen". In dem Papier, das am Montag vom Vorstand beschlossen werden soll, lehnt die SPD Alleingänge bei Zurückweisungen an der Grenze ebenfalls ab.

Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte Seehofer auf, er möge "dem Land einen letzten Dienst erweisen" und von seinem Ministeramt zurücktreten. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte: "Die Vorschläge, die derzeit im Mittelpunkt des unsäglichen Streites der Unionsparteien stehen, sind ein Manifest der Abschottung und Ignoranz." Es helfe aber nichts, die Augen vor den Ursachen von Flucht und Vertreibung einfach zu verschließen./sam/bk/poi/had/ctt/DP/men

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