24.03.2022 18:28:38

GESAMT-ROUNDUP 3: Westen arbeitet an neuen Sanktionen gegen Russland

(neu: UN-Resolution, Waffenlieferungen und G7)

BRÜSSEL/KIEW (dpa-AFX) - Die westlichen Verbündeten haben einen Monat nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ihren Kurs gegen Moskau weiter verschärft. Die Staaten wollen jede Transaktion mit Gold für Russland deutlich erschweren, wie ein hoher US-Regierungsvertreter am Donnerstag ankündigte. Die US-Regierung verhängt zudem neue Sanktionen gegen Hunderte Abgeordnete des russischen Parlaments Duma und weitere Mitglieder der russischen Elite. Außerdem sollen russische Rüstungsunternehmen auf die Sanktionsliste gesetzt werden. Bei ihrem Krisengipfel in Brüssel drohten die G7 dem Kremlchef mit weiteren Konsequenzen.

Die Nato-Staaten wollen darüber hinaus mit massiver Aufrüstung auf Russlands aggressive Politik reagieren. Man werde das gesamte Spektrum an einsatzbereiten Streitkräften und Fähigkeiten weiterentwickeln, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Staats- und Regierungschefs, die in Brüssel zu einem Gipfel zusammenkamen. Der Oberbefehlshaber der Nato-Streitkräfte in Europa aktivierte Bündnisfähigkeiten zur Abwehr von chemischen, biologischen und atomaren Bedrohungen, auch ABC-Abwehr genannt.

Die UN-Vollversammlung nahm eine Resolution zur humanitären Situation in der Ukraine mit großer Mehrheit an. Die Resolution verlangt unter anderem "eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten der Russischen Föderation gegen die Ukraine, insbesondere aller Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte". 140 Länder in dem größten UN-Gremium mit 193 Mitgliedern stimmten am Donnerstag für den Text. 38 Länder enthielten sich, nur 5 Länder stimmten gegen den Beschluss: Das waren Russland, Belarus, Syrien, Nordkorea und Eritrea.

In der Ukraine gingen unterdessen die heftigen Gefechte weiter. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief am 29. Kriegstag von Kiew aus Menschen weltweit zu Protesten gegen den russischen Angriff auf. "Kommen Sie im Namen des Friedens, kommen Sie mit ukrainischen Symbolen, um die Ukraine, die Freiheit und das Leben zu unterstützen!", sagte er in einer nachts verbreiteten Videoansprache.

Nato aktiviert Fähigkeiten zur ABC-Abwehr

In der Nato wird seit einiger Zeit befürchtet, dass Russland angesichts schleppender Fortschritte im Krieg gegen die Ukraine versucht sein könnte, Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Zusätzlich zur Aktivierung der ABC-Abwehr verstärken Mitgliedstaaten derzeit die multinationalen Gefechtsverbände an der Ostflanke mit zusätzlichen ABC-Elementen, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel sagte. Der Norweger bleibt angesichts der Kriegs ein weiteres Jahr Generalsekretär des Bündnisses. Sein Mandat wurde bis zum 30. September 2023 verlängert.

Selenskyj: Ukraine hat bei Nato Panzer angefordert

Dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge hat sein Land bei der Nato mindestens 200 Panzer angefordert. "Sie haben mehr als 20 000 Panzer. Die Ukraine hat um ein Prozent gebeten", sagte er in einer Videoschalte zum Nato-Gipfel. "Wir haben bisher keine klare Antwort", beklagte der 44-Jährige. Ähnlich sehe es bei den angeforderten Flugzeugen und Abwehrsystemen für Raketen aus.

Die Nato hat ein militärisches Eingreifen in den Ukraine-Krieg ausgeschlossen. Mit der Lieferung von Kampfflugzeugen tun sich die Verbündeten schwer, weil der russische Präsident Wladimir Putin dies als Kriegsbeteiligung der Nato werten könnte und das Bündnis so in den Konflikt hineingezogen würde.

Deutschland hat einem Bericht des "Spiegel" zufolge bereits deutlich mehr Waffen und andere Rüstungsgüter an die Ukraine geliefert als bisher bekannt. Laut einer vertraulichen Liste aus dem Wirtschaftsministerium erhielt die ukrainische Armee unter anderem 14 gepanzerte Geländewagen, 1300 Schutzwesten und 23 000 Helme.

Mehr als 1800 Luftangriffe auf die Ukraine seit Kriegsbeginn

Russland verstärkte nach Angaben des ukrainischen Militärs seine Luftangriffe. Binnen 24 Stunden habe man mehr als 250 Einsätze verzeichnet, hieß es im Morgenbericht des ukrainischen Generalstabs. Das Verteidigungsministerium teilte mit, dass seit Beginn des russischen Angriffs am 24. Februar mehr als 1800 Luftangriffe auf die Ukraine geflogen worden seien. Außerdem seien Hunderte Raketen von Land und von der See auf ukrainische Ziele abgefeuert worden. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs leiden die russischen Truppen aber unter enormen Nachschubproblemen. Nach ukrainischen Schätzungen wurden seit Kriegsbeginn fast 16 000 russische Soldaten getötet. Diese Angaben sind nicht unabhängig zu überprüfen.

Der russischen Luftwaffe sei es in einem Monat nicht gelungen, Luftüberlegenheit am Himmel über der Ukraine herzustellen, sagte ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums. Die USA und ihre Verbündeten arbeiteten daran, den Ukrainern Luftabwehrsysteme mit großer Reichweite zu beschaffen. Die Ukrainer setzten aber ihre derzeit vorhandenen Systeme "sehr effektiv" ein.

Am Boden veränderten sich die Fronten kaum, die ukrainische Armee hielt nach eigenen Angaben ihre Stellungen. Laut ukrainischem Generalstab versuchen die russischen Truppen weiterhin, Kiew einzukreisen. Britische und US-amerikanische Quellen im Sicherheitsapparat bestätigten Gegenangriffe der Ukrainer bei Kiew.

Aus der umkämpften Hafenstadt Mariupol im Süden berichtete eine inzwischen geflohene Einwohnerin von dramatischen Zuständen. "Hunderte Leichen lagen auf der Straße", schrieb die Frau namens Olena, die vor wenigen Tagen aus der Stadt geflohenen ist, der Deutschen Presse-Agentur über einen Messengerdienst. "Die Stadt Mariupol gibt es nicht mehr", berichtete sie weiter.

EU-Solidaritätsfonds für die Ukraine in Aussicht

Die EU dürfte der US-Regierung in der Einschätzung folgen, dass Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen begeht. Im jüngsten Entwurf der Abschlusserklärung für den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel heißt es: "Russland führt Angriffe auf die Zivilbevölkerung durch und zielt auf zivile Objekte, darunter Krankenhäuser, medizinische Einrichtungen, Schulen und Schutzräume. Diese Kriegsverbrechen müssen sofort aufhören."

Zudem galt es als wahrscheinlich, dass bei dem Gipfel in Brüssel ein Solidaritätsfonds für die Ukraine beschlossen wird. Uneins zeigten sich die EU-Staats- und Regierungschefs kurz vor Beginn des Gipfels in der Frage eines Importstopps für russisches Öl und Gas.

Mehr Flüchtlinge aus der Ukraine

Mehr als die Hälfte aller Kinder in der Ukraine sind seit dem Beginn der russischen Invasion vertrieben worden. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef schätzte am Donnerstag rund 4,3 Millionen Vertriebene unter den 7,5 Millionen Kindern des Landes. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks haben seit Kriegsbeginn rund 3,7 Millionen Menschen die Ukraine verlassen. Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete die Versorgung der Kriegsflüchtlinge als "Jahrhundertaufgabe"./nif/DP/nas

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