23.01.2015 21:07:58
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zum 75. Geburtstag von Bundespräsident Gauck
Regensburg (ots) - Vor fünf Jahren lobte Angela Merkel den gerade
70 Jahre alt gewordenen Joachim Gauck als glänzenden "Lehrer für
Demokratie". Damals ahnte die Kanzlerin wohl nicht, dass der
unbequeme einstige DDR-Oppositionelle und damalige "Unruheständler"
noch einmal eine wichtige politische Rolle in Deutschland spielen
würde. Als Gauck von SPD und Grünen als Nachfolger des
zurückgetretenen Horst Köhler ins Spiel gebracht wurde, wehrte Merkel
die Personalie ab und setzte den unglücklichen Unionsmann Christian
Wulff durch. Auch der versagte schließlich. Und der Ostdeutsche Gauck
musste schließlich ran, auch weil die damals noch mitregierende FDP
Merkel bedrängte, ihre Vorbehalte gegen ihn aufzugeben. Das
Verhältnis zwischen den beiden ist nicht erst seit jener Zeit
durchaus spannungsgeladen. Heute ist es jedoch eher von geschäftiger
Routine und grundlegender Übereinstimmung geprägt. Inzwischen können
sich viele, wohl auch Merkel, durchaus eine zweite Amtszeit des
inzwischen 75-Jährigen Gauck vorstellen. Langweilig würde es mit dem
einstigen Bürgerrechtler aus Rostock auch in einer zweiten
Wahlperiode nicht. Mahnen, auch mal anecken, sowie ermutigen,
verstehen und verzeihen - all das gehört sozusagen zu Gaucks
politischer Grundausstattung. Mit Joachim Gauck rückte vor knapp drei
Jahren ein Mann ins oberste Staatsamt, der nicht aus dem
westdeutschen Polit-Establishment stammte. In der Folgezeit hat der
frühere Rostocker Pfarrer denn auch die engen diplomatischen Grenzen
des Amtes immer wieder ausgereizt. Kritiker meinen, er habe sie
übertreten. Gauck schert das indes wenig. Er ist als unbequemer
Mahner für Demokratie und Freiheit angetreten - und genau diesem
Motto folgt er. Auf der Sicherheitskonferenz in München forderte er
vor Jahresfrist einen größeren deutschen Beitrag zur Lösung
internationaler Konflikte ein, was ihm von ganz Links den Vorwurf
eines "Kriegstreibers" einbrachte. Auf einer Gedenkstunde zum Beginn
des Zweiten Weltkrieges in Polen zog er eine Parallele zwischen den
Annexionen der Nazis mit der Einverleibung der Krim ins russische
Reich Putins. National und über die Grenzen hinweg hat beides für
viel Wirbel gesorgt. Das 70. Jahr der Beendigung des Zweiten
Weltkrieges ist für Gauck, dessen Vater nach einer Denunziation
jahrelang in einem sowjetischen Arbeitslager saß, von besonderer
Bedeutung. Er will den schwierigen Bogen zwischen den einstigen
Kriegsgegnern, Nazi-Deutschland auf der einen und den alliierten
Verbündeten auf der anderen Seite, schlagen. Gauck wird dabei
offenbar an Richard von Weizsäcker anknüpfen, der den Tag der
Niederlage und bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai
1945 als "Tag der Befreiung" bezeichnete. Dieses Wort wurde dem
CDU-Mann von vielen in der damaligen Bundesrepublik übel genommen.
Gauck will vor allem an die damaligen Opfer erinnern, die Millionen
getöteten Soldaten und ebenso an die Millionen zivilen Opfer in allen
beteiligten Ländern. An die Millionen Opfer des Holocaust ebenso wie
an die Opfer der Bombenangriffe, an die Opfer von Flucht und
Vertreibungen, an die Opfer in Deutschland, Polen, Russland, der
Ukraine, Frankreich und anderswo. Zugleich wird Gauck versuchen, die
Lehren jenes verheerenden Weltbrandes vor 70 Jahren in die Gegenwart
zu übertragen. Er verneigt sich vor den Millionen sowjetischen Opfern
des Krieges - und zugleich erhebt er seine Stimme gegen einen
kriegslüsternen Kremlchef, der in der Ukraine schießen lässt. Dass
der oberste deutsche Mahner für Frieden, Freiheit und Demokratie
nicht zur Siegesfeier nach Moskau eingeladen wird, ist insofern nur
folgerichtig.
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