22.11.2013 21:19:08

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Entscheidung des Internationalen Seegerichtshofes: "Russland will nicht am Umwelt-Pranger stehen" von Ulrich Heyden

Regensburg (ots) - Am Freitag tagte der Internationale Seegerichtshof in Hamburg zum Fall des am 19. September im Nordpolarmeer beschlagnahmten Greenpeace-Aktionsschiffes Arctic Sunrise. Die russische Regierung hatte erklärt, dass man an der Gerichtsverhandlung nicht teilnehmen werde. Der stellvertretende russische Außenminister Aleksej Meschkow erklärte, die Niederlande hätten es in den letzten eineinhalb Jahren trotz russischer Warnungen unterlassen, das ungesetzliche Verhalten der Arctic-Sunrise-Besatzung im Nordpolarmeer zu stoppen, weshalb Russland an die Niederlande "mehr Fragen hat als sie an uns". Die Regierung in Den Haag hatte die Herausgabe des unter niederländischer Flagge fahrenden Aktionsschiffes und die Freilassung der 30 Aktivisten gefordert. Ein russisches Gericht setzte für die 30 verhafteten Aktivisten eine zweimonatige Untersuchungshaft fest und ermittelte wegen Rowdytum. Demnach drohen den Aktivisten Gefängnis-Strafen von bis zu sieben Jahren. Doch Russland, das die eigene Position mit der Entspannung des Syrien-Konflikts und dem Asyl für Edward Snowden international verbessern konnte, möchte nicht als Feind der Umweltschützer gebrandmarkt werden. So ist es kein Wunder, dass ein Gericht in St. Petersburg in den letzten Tagen bis auf den Funker Colin Russel alle Besatzungsmitglieder des Greenpeace-Schiffes auf Kaution freiließ. Ob die Aktivisten allerdings in ihre Heimatländer zurückkehren können, ist noch unklar. Die Gefahr von "schweren Anklagen" bleibe weiter bestehen, erklärte Greenpeace. Wladimir Putin gestand am Donnerstag vor der Literarischen Gesellschaft - einer Versammlung von Schriftstellern und Russisch-Lehrern in Moskau - überraschend ein, die Greenpeace-Aktivisten, seien "für eine edle Sache" eingetreten. Putin vergaß aber nicht zu erwähnen, dass die Aktivisten die Mannschaft der Ölbohrplattform Priraslomnaja "abgelenkt" und ein technisches Unglück provoziert hätten. Wladimir Putin war noch nie um Argumente verlegen, wenn es darum ging, das harte Handeln der Staatsorgane zu rechtfertigen. Wie der Fall Arctic Sunrise zeigt, gilt das nun auch für die Arktis, wo Russland große Pläne bei der Ausbeutung von Rohstoffen hat. Die Rohstoffvorkommen und die durch das auftauende Eis entstehenden neuen Schifffahrtswege will Russland auch militärisch sichern. Mitte September gab der Kreml-Chef bekannt, dass auf den arktischen Nowosibirsk-Inseln eine Militärbasis eingerichtet und der verlassene Militärflugplatz von Temp wieder hergerichtet wird. Möglicherweise kann man den Greenpeace-Aktivisten tatsächlich einen Rechtsbruch nachweisen. Die Plattform Priraslomnaja, welche die Förderung von Öl noch nicht aufgenommen hat, liegt in der russischen Wirtschaftszone. Die 500-Meter-Sicherheitszone um die Priraslomnaja hatten die Aktivisten ignoriert. Doch wenn die Aktion einer "edlen Sache" diente, müsste der Kreml eigentlich auf harte Strafen verzichten und mit den Umweltschützern in einen Dialog über die Zukunft Arktis einsteigen. Greenpeace fordert ein Moratorium für die Rohstoffausbeutung in der Arktis. Das wird Russland ablehnen. Außerdem fürchtet der Kreml wohl, dass die Umweltschützer mit ihren hohen Sicherheitsstandards die Rohstoffausbeutung in der Arktis unwirtschaftlich machen. Trotzdem ist ein Dialog notwendig. Weitere Konflikte zwischen Ökologen und Sicherheitskräften sind sonst wahrscheinlich.

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