26.05.2019 23:43:42
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Mittelbayerische Zeitung: Nehmt die Jungen ernst!/Von "Schicksalswahl" und "Klimawahl" war die Rede. Beides hat sich bewahrheitet: EU-Gegner und Grüne gewinnen. Von Jana Wolf
Regensburg (ots) - Von einer "Schicksalswahl" war in den
vergangenen Wochen oft die Rede. Bei dieser Europawahl entscheide
sich, so hieß es, ob Europa in die Fänge seiner Gegner gerate und die
Volksparteien die Überreste ihrer ohnehin bröckelnden Stärke noch
halbwegs zusammenhalten können. Und ja, tatsächlich haben sich die
Befürchtungen bewahrheitet: Die Rechtspopulisten haben deutlich
zugelegt und könnten sich im künftigen Europaparlament in einer neu
geschmiedeten Rechtsallianz stärker organisieren. Dagegen sind die
großen Parteien, namentlich CDU und SPD, drastisch abgesackt und
kommen immer mehr ins Straucheln. Es ist eine heikle Mischung, die
nicht zu unterschätzen ist. Schicksalhaft ist diese Wahl gerade für
die Parteichefinnen von CDU und SPD, die beide noch jung im Amt sind.
Zwar wurde gestern über die künftige Zusammensetzung des Parlaments
in Brüssel abgestimmt. Dennoch gilt diese Wahl auch als
Bestandsaufnahme für die Politik der Berliner Regierungsparteien.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die im Dezember 2018 auf
Angela Merkel folgte, und SPD-Chefin Andrea Nahles, seit April 2018
im Amt, werden sich an den Ergebnissen der Europawahl messen lassen
müssen. Seit Schließung der Wahllokale gestern Abend steht fest:
Dieses Messen wird ungemütlich. CDU mit 22,4 Prozent (28,8 mit CSU;
alles Hochrechnungen), SPD mit 15,5 - das sind die schlechtesten
Ergebnisse, die die Parteien bei bundesweiten Wahlen jemals
eingefahren haben. Jemals. Kramp-Karrenbauer und Nahles müssen sich
auf harte Widerstände einstellen, auch intern. Aufwind erhalten
dagegen die Rechtspopulisten. In Deutschland erreichte die AfD 10,8
Prozent und hat sich damit im Vergleich zur Europawahl 2014 (7,1
Prozent) deutlich verbessert. Es ist jene Partei, deren
Spitzenkandidat Jörg Meuthen die EU "radikal verändern" will und,
sollte das nicht gelingen, nur den "Dexit" als Option lässt. Kommt es
zur geplanten "Superfraktion" mit der italienischen Lega, dem
französischen Rassemblement National und der österreichischen FPÖ,
würde das Einfluss und Selbstbewusstsein der Rechten weiter stärken.
Umso mehr ist zu hoffen, dass sich die gebeutelten Volksparteien
nicht in Machtkämpfen und Schuldzuweisungen verlieren. Sie sollten
den EU-Gegnern entschlossen und mit Fokus auf inhaltliche Arbeit
Paroli bieten. Von einer "Klimawahl" war im Vorfeld auch die Rede. Es
war der Schlachtruf der Hundertausenden von jungen Menschen, die für
mehr Klimaschutz europa- und weltweit auf die Straße gehen. Auch
diese Erwartung hat sich erfüllt. Denn die Grünen sind der mit
Abstand größte Gewinner dieser Europawahl. In Deutschland hat die
Ökopartei ihr Ergebnis mit satten 20,6 Prozent im Vergleich zu 2014
verdoppelt. Sie ist damit bundesweit die zweitstärkste Kraft - weit
vor der SPD. Den Grünen spielte nicht zuletzt die Dynamik der jungen
Klimaaktivisten in die Hände. Spätestens seit dieser Wahl steht also
auch fest: Die Grünen haben zur Zeit weite Teile der jungen
Generation auf ihrer Seite. Am Tag nach dieser Schicksals- und
Klimawahl bleibt zweierlei: Sorge und Hoffnung. Die Sorge gilt dem
Erstarken und der Vernetzung der EU-Gegner. Deswegen in
Endzeitstimmung zu verfallen und das Ende der EU heraufzubeschwören,
wäre der falsche Schluss. Es ist genau dieser Alarmismus, dieses
Schüren von Ängsten, von dem die Rechten profitieren. Man sollte sie
wachsam im Blick behalten, ohne sich über jede Provokation und jeden
Spaltungsversuch zu empören. Und schließlich gibt es guten Grund zu
hoffen: Immer mehr junge Menschen setzen sich für ihre Anliegen ein.
Sie zeigen, dass sie sich eine Politik wünschen, die im Klimaschutz
anpackt und an Lösungen arbeitet. Die großen Verlierer dieser Wahl
tun gut daran, die Jungen darin ernst zu nehmen.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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