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07.05.2023 10:09:38

Moskau gibt Kiew Schuld an Prilepin-Attentat - Die Nacht im Überblick

MOSKAU/KIEW (dpa-AFX) - Russland hat die Ukraine für den Autobomben-Anschlag auf den bekannten kremlnahen Schriftsteller Sachar Prilepin verantwortlich gemacht und von einem "Terroranschlag" gesprochen. Kiew bekannte sich nicht zu dem Attentat, bei dem Prilepin am Samstag schwer verletzt wurde - stritt eine Beteiligung aber auch nicht ab.

Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, konkretisierte derweil seine Ankündigung über einen Abzug von der Front in der Ostukraine. Die Stellungen in der Stadt Bachmut sollen angeblich ab kommendem Mittwoch Kämpfer des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow übernehmen.

Beide Kriegsparteien tauschten außerdem erneut fast 50 Gefangene aus. Und die Internationale Atomenergiebehörde zeigte sich angesichts befürchteter Kampfhandlungen nahe des AKW Saporischschja alarmiert.

Attentat auf Kriegsbefürworter Prilepin: Moskau spricht von "Terror"

Die Ermittlungen zum Attentat auf den 47 Jahre alten Prilepin seien zwar noch gar nicht abgeschlossen, teilte das Außenministerium in Moskau mit. "Doch schon jetzt geht aus den Materialien (...) klar hervor, dass von einem erneuten Terroranschlag die Rede ist, der vom Kiewer Regime organisiert und ausgeführt wurde und hinter dem westliche Kuratoren stehen."

Ein Vertreter des ukrainischen Geheimdienstes SBU sagte auf Anfrage der Internetzeitung Ukrajinska Prawda, man werde eine Beteiligung an solchen Attentaten "weder bestätigen noch dementieren". Zuvor hatte eine ukrainische Partisanenbewegung namens Atesch angedeutet, hinter dem Anschlag zu stecken. Zunächst war aber unklar, wie glaubwürdig diese Mitteilung war.

Prilepin wurde schwer verletzt, als ein an seinem Auto angebrachter Sprengsatz detonierte. Sein Fahrer starb. Der nationalistische Schriftsteller ("Sankya") ist ein überzeugter Anhänger des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Er hat auch schon dort gekämpft.

Kurz nach der Explosion, die sich in der russischen Region Nischni Nowgorod östlich von Moskau ereignete, nahm die Polizei einen 1993 geborenen Mann als Tatverdächtigen fest. Der Gouverneur von Nischni Nowgorod, Gleb Nikitin, teilte mit, Prilepin sei mittlerweile operiert worden. Er habe mehrere Knochenbrüche erlitten.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Kriegsunterstützer in Russland Ziel eines Attentats wurde: Erst vor einigen Wochen starb etwa der prominente Militärblogger Wladlen Tatarski durch eine Explosion in einem St. Petersburger Café. Im vergangenen August kam zudem Darja Dugina - Tochter des rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin - nahe Moskau infolge einer Autobomben-Detonation ums Leben.

Wagner-Chef will Kadyrows Ablöseangebot für Bachmut annehmen

Derweil trifft der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, eigenen Angaben zufolge konkrete Vorbereitungen für den baldigen Abzug seiner Kämpfer von der Front in der Ostukraine. Er wolle ein Ablöseangebot des Chefs der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, annehmen, teilte Prigoschins Pressedienst auf Telegram mit. Kadyrow hatte zuvor erklärt, Männer seiner Truppe "Achmat" könnten in der schwer umkämpften ukrainischen Stadt Bachmut die Stellungen der Wagner-Söldner übernehmen.

Innerhalb der russischen Militärführung tobt mehr als ein Jahr nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine ein offen zutage tretender Machtkampf. Prigoschin beschwerte sich zuletzt immer wieder öffentlich über angeblich fehlende Munition. Am Freitag dann kündigte der 61-Jährige an, seine Kämpfer aus diesem Grund aus Bachmut abzuziehen.

Prigoschin sagte, auch nach einem Abzug aus Bachmut werde seine Truppe weiter für Moskau kämpfen. "Die Wagner-Kämpfer werden für die nächsten Operationen im Interesse Russlands erhalten bleiben", sagte er am Sonntag laut russischer Staatsagentur Tass.

Ukraine und Russland tauschen erneut Gefangene aus

Russland und die Ukraine tauschten erneut Gefangene aus. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, drei Piloten der russischen Luftwaffe seien "als Ergebnis eines schwierigen Verhandlungsprozesses" freigekommen. In Kiew war von 45 Soldaten die Rede, die im Gegenzug aus der russischen Gefangenschaft entlassen worden seien. Es handele sich um 42 Männer und 3 Frauen, die im vergangenen Frühjahr die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer bis zu deren Fall verteidigt hätten, schrieb der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, auf Telegram.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj formulierte etwas später in seiner abendlichen Videoansprache die Befreiung aller von Russland gefangen genommener Landsleute als Ziel. Wie viele Ukrainer und wie viele Russen mehr als 14 Monate nach Kriegsbeginn auf der jeweils anderen Seite festgehalten werden, ist nicht bekannt.

Evakuierungen um AKW Saporischschja: IAEA-Chef "extrem besorgt"

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ist angesichts der angespannten Lage um das frontnahe ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja alarmiert. Die Situation werde immer unberechenbarer, und das Gefahrenrisiko in dem russisch besetzten AKW steige, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi. "Ich bin extrem besorgt über die sehr realen Sicherheitsrisiken", warnte er in einem Lagebericht. "Wir müssen jetzt handeln, um einen drohenden schweren Atomunfall zu verhindern."

Die moskautreue Verwaltung im Gebiet Saporischschja kündigte am Freitag Evakuierungen an, darunter die Stadt Enerhodar, wo der Großteil des AKW-Personals lebt. Laut Grossi bleiben die Mitarbeiter zwar vor Ort, doch die Situation wird dennoch "zunehmend angespannt, nervenaufreibend und herausfordernd" für sie und ihre Familien. Dauerstress kann laut IAEA zu Fehlern und Unfällen im AKW führen kann. Grossi forderte erneut eine Vereinbarung zwischen der Ukraine und Russland, um das AKW vor Angriffen zu schützen.

In näherer Zukunft wird mit einer ukrainischen Gegenoffensive gerechnet. Als eine Möglichkeit gilt dabei ein militärischer Vorstoß im Gebiet Saporischschja in Richtung der Küste des Asowschen Meeres.

Das wird am Sonntag wichtig

Die schweren Kämpfe im Osten der Ukraine gehen weiter. Im Fokus steht weiter Bachmut. Nach Darstellung der ukrainischen Militärführung sind die russischen Truppen bemüht, Bachmut bis spätestens 9. Mai vollständig zu erobern./haw/DP/mis

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