07.09.2017 23:03:56
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Neue Westfälische (Bielefeld): Merkel im Wahlkampf Fehlende Wahrhaftigkeit Dieter Wonka, Berlin
Bielefeld (ots) - Am 24. September, 18 Uhr, zeitgleich mit der
ersten Prognose über den Ausgang der Bundestagswahl, wird Angela
Merkel wissen, wie es ist, wenn man auf dem vierten und letzten
Kanzlerinnen-Gipfel steht: Rundum geht es nur noch bergab. Vor
Monaten war man bereits im Schlafwagen zur Macht und träumte von
einer absoluten Mandatsmehrheit. Mittlerweile bewegt sich die Union
in Umfragen eher in die Richtung, die man aus der Schlussphase von
Helmut Kohl kennt. Und das bei einer historisch schwachen SPD, bei
glänzenden wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen und bei fehlender
Wechselstimmung. Im Schlagschatten von Merkels Welt bildet sich
gerade eine gefährliche Mixtur, die Knall auf Fall ihr Machtprinzip
einer Politik auf Sicht platzen lassen könnte. Die SPD versucht ihre
Kraft als realistische Kanzleralternative wiederherzustellen. Der
Rest der Konkurrenz macht einen eher windigen Eindruck. Insbesondere
auf Ostdeutschlands Straßen und Plätzen hat sich eine irre
Hassplattform gebildet. Dort zeigt sich eine Generation der
mittelalten Bürger, die für Politik kaum noch zu erreichen ist. Ganz
nebenbei droht Deutschland damit im nächsten Bundestag auch eine neue
Debatte über eine gespaltene Republik. Und in den wichtigen
Zukunftsfragen ist die Berliner Politik eingeduselt, weil es immer
hieß, am erfolgreichsten sei man, wenn "auf Sicht" gefahren werde. In
einem scheinbar mutigen Akt der Klarheit versprach Merkel im TV-Duell
mit Schulz, dass mit ihr die Rente mit 70 nicht infrage komme.
Gedacht war dies als Beweis dafür, dass keine Politik der sozialen
Kälte auf die Bürger zukäme. Tatsächlich haben viele es wohl so
verstanden, wie es wirklich ist: Vor der Wahl wird verschwiegen, was
nach der Wahl gemacht werden muss. Denn an der Demografie und an der
längeren Lebenserwartung bei immer mehr Rentnern und weniger
Beitragszahlern kommt auch kein Antwortverweigerer vorbei. Eine
Politik ohne Tabus und ohne Dogmen tut not. Ein alter Konservativer
wie Wolfgang Schäuble weiß das. Ein Ministerpräsident wie Stanislaw
Tillich sagt das. Und eine Kanzlerin wie Angela Merkel verweigert
genau diese Pflicht der Politik zur Wahrhaftigkeit. So schürt man
unterm Strich bei denen, die dabei sind, sich aus dem Dialog zu
verabschieden, den Eindruck, dass da oben in der Politik etwas nicht
stimmen kann.
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Pressekontakt: Neue Westfälische News Desk Telefon: 0521 555 271 nachrichten@neue-westfaelische.de
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