18.05.2015 21:32:39

Schwäbische Zeitung: Schiffe versenken hilft nicht viel - Leitartikel

Ravensburg (ots) - Die Diagnose ist richtig gestellt, doch die Therapie scheint nicht ausgereift. So könnte das Fazit zum EU-Ministertreffen lauten, auf dem die lange diskutierten Militärschläge gegen Schlepperbanden als offizielle Strategie Europas erörtert wird.

Die EU-Staaten haben erkannt, dass das akute Flüchtlingsproblem im Mittelmeer damit zusammenhängt, dass die Menschen unter schlimmsten Bedingungen in seeuntauglichen Booten von Libyen nach Italien aufbrechen. Folglich sollen mithilfe militärischer Aufklärung die Schlepperschiffe ausfindig gemacht und aus dem Verkehr gezogen werden. Die Militärs wollen auch die Boote nach der Rettung der Menschen versenken. Die Logik in Brüssel: Ohne die Transportmittel hätte das millionenschwere Flüchtlingsgeschäft in Nordafrika keine wirtschaftliche Grundlage mehr. Doch die Erwartungen der Europäer scheinen zu hoch gesteckt.

Es ist fraglich, ob sich die Schlepper durch die Vernichtung der Boote abschrecken lassen. Sie werden in Libyen als billige Meterware produziert, ihr Verlust ist im Preis der Überfahrt einkalkuliert. Solange es genug Ersatz gibt, werden die Kriminellen immer verzweifelte Menschen finden, die auf der Flucht alles riskieren werden. Bombardements oder Bodeneinsätze von Spezialeinheiten gegen die Infrastruktur der Schlepper können ausgeschlossen werden. Denn Russland würde als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat sicher das erforderliche Mandat blockieren. Zudem wären solche Operationen riskant, solange die schlagkräftigen Milizen die libyschen Küsten kontrollieren. Schließlich gibt es keine Garantie, dass bei Angriffen auf getarnte Schlepperschiffe in libyschen Gewässern niemals echte Fischkutter getroffen werden.

Darum taugt die vorgeschlagene Lösung höchstens, um temporär Europas Gesicht zu wahren, nicht aber, um das Problem wirklich zu lösen. Die Militärs werden keine Wunder bewirken können. Ja, die EU braucht eine Strategie gegen Menschenhandel im Mittelmeer, allerdings vor allem eine politische und humanitäre.

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