09.10.2014 22:05:32
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Sorgen um Eurozone bei internationalem Finanztreffen in Washington
WASHINGTON (AFP)--Die internationale Finanzpolitik blickt wieder sorgenvoll nach Europa. Am Rande der Herbsttagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington warnte IWF-Chefin Christine Lagarde vor einem Rückfall der Eurozone in die Rezession und forderte mehr staatliche Investitionen. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) blieb bei seiner Ablehnung von schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen. Das Wachstum lasse sich nicht "mit dem Schreiben von Schecks" stärken, sagte er.
"Wir sagen nicht, dass die Eurozone auf dem Weg in die Rezession ist", sagte Lagarde auf einer Pressekonferenz vor der am Freitag beginnenden Herbsttagung. "Aber wir sagen, dass es ein ernstes Risiko gibt, dass dies passiert, wenn nichts getan wird." Die IWF-Chefin bezifferte die Wahrscheinlichkeit, dass die Währungsgemeinschaft in die Rezession rutscht, auf "nicht unerhebliche" 35 bis 40 Prozent.
Schäuble zeigte sich zwar offen für stärkere Investitionen - aber nicht auf Pump. Die Regeln des europäischen Stabilitätspakts müssten eingehalten werden, forderte er bei einer Podiumsdiskussion des US-Ablegers der Bertelsmann-Stiftung. Länder wie Frankreich und Italien müssten "bedeutende Strukturreformen" umsetzen. Der Bundesfinanzminister lehnte es erneut ab, Mittel aus dem Euro-Rettungstopf ESM abzuzweigen. Der ESM sei zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung gedacht und dürfe "nicht angerührt" werden.
Der IWF schraubte in seinem Anfang der Woche veröffentlichten Konjunkturausblick die Erwartungen an das diesjährige Wachstum in der Eurozone um 0,3 Prozentpunkte auf 0,8 Prozent zurück. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hielt es aber für übertrieben, Europa als Problem für die Weltwirtschaft darzustellen. "Das ist viel zu düster", sagte er in Washington. Seit der Krise habe die Mehrheit der Mitgliedstaaten ihre Strukturreformen "ziemlich weit" vorangebracht.
Für Deutschland korrigierte der IWF die Wachstumserwartung für dieses Jahr um 0,5 Prozentpunkte auf 1,4 Prozent nach unten. Ausdrücklich wurde die Bundesrepublik aufgerufen, mit stärkeren öffentlichen Investitionen etwa in die Verkehrsinfrastruktur die Konjunktur anzukurbeln. Deutschland habe die Haushaltskonsolidierung abgeschlossen und könne sich staatliche Mehrausgaben leisten, befanden die Experten des Währungsfonds.
Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute bestätigten den Negativtrend in ihrem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Herbstgutachten, das für dieses Jahr nur noch ein Wachstum von 1,3 Prozent voraussagt. Im April hatten sie noch damit gerechnet, dass die deutsche Wirtschaftsleistung um 1,9 Prozent zulegen würde. Schäuble wies Ängste vor einer Rezession in Deutschland zurück. Die Bundesrepublik sei weiter der "Konjunkturmotor" der Eurozone und erlebe nur eine Schwächephase, sagte er.
Außerdem riet der IWF zu einer anhaltend lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und befürwortete den geplanten Aufkauf von Wertpapieren, um mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen und die niedrige Inflation zu bekämpfen. Schäuble warnte dagegen davor, dass billiges Geld den Mitgliedstaaten den Anreiz für Reformen nehmen könnte. "Man kann in einer Währungsunion nicht immer das Geld anderer Leute ausgeben", sagte der Finanzminister, der später mit seinen Kollegen aus den führenden Industrie- und Schwellenländern (G-20) zum Abendessen zusammenkommen wollte.
In seinem diese Woche veröffentlichten Bericht zur Stabilität des weltweiten Finanzsystems beklagt der IWF auch die anhaltende Schwäche des europäischen Bankenwesens. Trotz des Rekordtiefs bei den Zinsen könnten die Geldhäuser nicht in angemessenem Umfang Kredite an Unternehmen vergeben und so Konjunktur und Arbeitsmarkt stärken. EZB-Chef Mario Draghi sagte am Donnerstag bei einem Vortrag am Politikinstitut Brookings in Washington, er rechne Anfang kommenden Jahres mit einer anziehenden Kreditvergabe.
Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com
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October 09, 2014 15:35 ET (19:35 GMT)- - 03 35 PM EDT 10-09-14
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