12.09.2014 18:29:48

UKRAINE: Deutsche Konzerne reagieren besorgt auf Sanktionen gegen Russland

BERLIN (dpa-AFX) - Die harten Sanktionen zwischen dem Westen und Russland bereiten auch deutschen Unternehmen zunehmend Sorgen. Zwar nimmt die neue Runde an Strafmaßnahmen russische Öl- und Rüstungsfirmen ins Visier, doch die Folgen der immer schärferen Sanktionsspirale wirken sich auch auf heimische Branchen wie den Bankensektor, die Maschinenbauer oder die Automobilbranche aus.

Das Ausmaß der Besorgnis wurde am Freitag vor allem durch eine Stellungnahme europäischer Unternehmen in Russland deutlich. Die Regierungen sollten einen Weg zur Lösung des Ukraine-Konflikts finden, ohne der Wirtschaft zu schaden, forderte die Vereinigung Europäischer Unternehmen (AEB) in der russischen Hauptstadt Moskau. Der Verband sei aber weiterhin zuversichtlich, dass Russland trotz der Sanktionen ein strategischer Partner für Firmen aus Europa bleibe. In der AEB sind große europäische Firmen wie ABB, BMW, Siemens oder VW vertreten, die in Russland aktiv sind.

Der größte deutsche Erdöl-Produzent Wintershall will mögliche Auswirkungen der Sanktionen im politisch sensiblen Öl- und Gasgeschäft noch nicht bewerten. "Wir prüfen nun, ob diese Auswirkungen für Wintershall haben", sagte ein Sprecher der BASF-Tochter. Von den bisherigen Sanktionen seit Anfang August sei Wintershall nicht unmittelbar betroffen gewesen. Der Konzern betreibt mit russischen Partnern eine Erdgasproduktion in Westsibirien und eine Erdölproduktion in der Nähe von Wolgograd. Der Verkauf des Gashandel- und Gasspeichergeschäfts an Gazprom (Gazprom (Spons ADRs)) ist so gut wie abgeschlossen und soll noch im Herbst vollzogen werden.

Experten zufolge sind gerade die Sanktionen im Finanzsektor schmerzhaft für Russland. "Auch wenn den Unternehmen dadurch keine unmittelbare Liquiditätskrise droht, werden die betroffenen Banken und Unternehmen insbesondere die stärkeren Beschränkungen bei ihrer kurzfristigen Refinanzierung schmerzlich spüren", teilte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, am Freitag mit. Dass auch die neuen Sanktionen nicht ohne Folgen für die deutsche Wirtschaft bleiben, müsse dabei in Kauf genommen werden. "Das Entscheidungsprimat bleibt bei der Politik", sagte Kemmer.

Die Russland-Exporte der deutschen Maschinenbauer sind bereits im ersten Halbjahr 2014 um ein Fünftel eingebrochen. Wie sich die Sanktionen im weiteren Jahresverlauf auswirken werden, sei zwar reine Spekulation, betont Monika Hollacher, Russland-Referentin beim Branchenverband VDMA. Aber: "Wenn die Sanktionen stark durchschlagen, tippen wir auf ein Minus unserer Exporte nach Russland von 35 Prozent auf 5 Milliarden Euro im Gesamtjahr."

Die Deutsche Lufthansa hat zwar intern längst durchgerechnet, welche Auswirkungen ein russisches Überflugverbot auf Flugzeiten und den Kerosinverbrauch hätte, in der Öffentlichkeit will sich Deutschlands größte Airline aber dazu nicht äußern. "Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen", sagte ein Sprecher. Man setze darauf, dass es zu anderen Lösungen komme. Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew hatte kürzlich ein Überflugverbot für Verkehrsflugzeuge aus dem Westen angedroht.

Für die deutschen Autobauer läuft es auch unabhängig von der politischen Lage auf dem russischen Markt derzeit nicht rund. Der Russland-Konflikt verschärft die bereits seit längerem bestehende Konjunkturschwäche. Der Konzernabsatz des größten europäischen Autobauers Volkswagen (Volkswagen vz) sank in Russland in den ersten acht Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12 Prozent, bei der Kernmarke VW-Pkw sind es sogar 18 Prozent Verlust. Zu den Sanktionen ließ der Konzern erklären: "Wir beobachten die Lage nach wie vor genau und hoffen auf eine baldige Lösung." Der russische Markt ist für VW allerdings lange nicht so bedeutend wie etwa China.

Bei BMW hinterlässt die Krise bereits seit einigen Monaten Spuren in den Absatzzahlen: In den ersten acht Monaten des Jahres verkaufte BMW in Russland knapp 25 000 Fahrzeuge und damit fast acht Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum./lin/hqs/loh/csc/poi/DP/men

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