Krim-Krise schwelt weiter |
08.03.2014 17:50:32
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Warnschüsse gegen Beobachter - Kritik an Sanktionen
Eine Woche vor Krim-Referendum über einen Anschluss an Russland forderten US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel erneut den Rückzug russischer Soldaten von der zur Ukraine gehörenden Halbinsel. Moskau drohte den USA im Falle von Sanktionen mit einem Stopp der gegenseitigen Inspektionen unter anderem von Atomwaffenarsenalen. Ein Hoffnungszeichen kam aus Moskau: Dort trafen sich erstmals seit Beginn der Krim-Krise Regierungsvertreter von Russland und der Ukraine zu einem direkten Gespräch.
Prorussische Einheiten kontrollieren seit einer Woche die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim. Moskau bestreitet jedoch, Soldaten außerhalb vereinbarter Gebiete einzusetzen. Bewaffnete in Uniformen ohne Hoheitsabzeichen seien "Selbstverteidigungskräfte", die nicht unter dem Kommando des Kreml stünden.
Die OSZE-Experten sollen die militärischen Aktivitäten Russlands auf der Krim beobachten. Moskautreue Bewaffnete hatten den Militärbeobachtern bereits am Donnerstag und Freitag mehrfach den Zugang zu der Schwarzmeerhalbinsel versperrt. Die OSZE-Mission ist bis zum kommenden Mittwoch befristet.
Der Westen hatte Russland eindringlich aufgefordert, zur Entspannung der Lage aktiv beizutragen. In Moskau kam der russische Vizeaußenminister Grigori Karassin mit dem ukrainischen Botschafter Wladimir Jeltschenko zusammen. "In aufrichtiger Atmosphäre wurden Fragen der russisch-ukrainischen Beziehungen besprochen", teilte das russische Außenministerium mit.
Die Lage auf der Krim ist aus westlicher Sicht weiterhin sehr gefährlich. Regierungssprecher Steffen Seibert teilte am Samstag in Berlin mit, Merkel und Obama seien sich "in der Einschätzung des inakzeptablen russischen Vorgehens" einig gewesen. Die beiden Politiker forderten nach Angaben des Weißen Hauses, Russland müsse rasch der Bildung einer internationalen Kontaktgruppe zustimmen. Sie solle zu einem direkten Dialog zwischen der Ukraine und Russland führen.
Die USA und die EU hatten in dieser Woche erste Sanktionen gegen Russland beschlossen. Sollte Moskau im diplomatischen Konflikt um die Krim nicht einlenken, will die EU Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängen. Im Extremfall will Brüssel auch wirtschaftliche Sanktionen beschließen.
Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums in Moskau sagte zu den gegenseitigen Waffeninspektionen der USA und Russland, die Kontrolle etwa von Atomarsenalen erfordere Vertrauen. Die "unbegründeten Drohungen" der USA und der Nato seien aber eine "unfreundliche Geste", zitierte ihn am Samstag die Agentur Itar-Tass. Russland und die USA hatten sich in einem seit 2011 gültigen Vertrag zu einer Verringerung strategischer Offensivwaffen sowie zu gegenseitigen Besuchen von Inspekteuren verpflichtet.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow forderte den Westen zu einem "Dialog ohne Beschuldigungen" auf: "Wir sind zu partnerschaftlichen Gesprächen bereit - allerdings akzeptieren wir keine Versuche, uns als einen Beteiligten des Konflikts in der Ukraine hinzustellen", sagte er laut der Agentur Interfax.
Russisch sprechende Uniformierte sollen zudem auf der Krim einen Militärstützpunkt der ukrainischen Streitkräfte attackiert haben. Eine Gruppe aus etwa 20 Bewaffneten habe sich mit einem Lastwagen Zugang zu dem Areal nahe der Hafenstadt Sewastopol verschafft, teilten die Behörden in Kiew am Freitagabend der Agentur Interfax zufolge mit. Später sollen die Angreifer wieder abgezogen sein.
Die ukrainische Regierung bekräftige am Samstag mit Nachdruck ihren Gebietsanspruch auf die Halbinsel. "Die Krim war, ist und bleibt ukrainisch", sagte Außenminister Andrej Deschtschiza in Kiew. Die Bürger der Halbinsel sollen am 16. März über einen Beitritt zu Russland abstimmen. Die über Jahrhunderte russische Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine, die das Vorgehen Moskaus für einen Bruch internationalen Rechts hält.
In Deutschland wird die Kritik an Sanktionen gegen Russland unterdessen lauter. "Wladimir Putin ist äußerst machtbewusst, der lässt sich mit Sanktionen nicht an den Verhandlungstisch zwingen", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) der "Wirtschaftswoche" über Russlands Präsidenten. Der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, warnte im "Focus": "Die Verflechtungen zwischen der EU und Russland sind so groß, dass beiden Seiten schwere Schäden drohen."
Die neue Führung der Ukraine will die Todesschüsse während der Proteste im Februar in Kiew von einem Parlamentsausschuss untersuchen lassen. Damit reagiert die Regierung auf Gerüchte, wonach Gegner des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch selbst Scharfschützen engagiert haben könnten. Bei den blutigen Zusammenstößen waren etwa 100 Menschen ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden.
BERLIN/MOSKAU (dpa-AFX)
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