Allg. Zeitung Mainz: Legendenbildung / Kommentar zum Prozess in Celle

Mainz (ots) - Der Prozess, der den beiden Wolfsburgern Ayoub B. und Ebrahim B. vor dem Oberlandesgericht Celle gemacht wird, wird einen tiefen Einblick in die Strukturen des "Islamischen Staates" geben. Zu erwarten sind zudem wertvolle Aufschlüsse über Motive und Mentalität deutscher Dschihadisten. Denn einer der beiden, Ebrahim B., hat bereits ein Interview gegeben. Er hat geschildert, dass erschreckend wenig ausreicht, um aus einem jungen Mann einen potenziellen Mörder zu machen: eine schwierige Schulzeit, ein paar Vorstrafen, ein Hassprediger in einer Wolfsburger Moschee. Der 26-Jährige hat beschrieben, wie problemlos er über die Türkei - einem NATO-Partner - nach Syrien reisen konnte. Allein dies ist ein Skandal. Unmittelbar hinter der Grenze hat er den Befehl erhalten: Kuffar, Ungläubige, müssen "geschlachtet" werden. Immerhin verkauft Ebrahim B. die Justiz nicht für dumm, so wie der mitangeklagte Ayoub B.. Der 27-Jährige will nur deshalb nach Syrien gereist sein, um den Islam zu studieren. Er sei dort zur Ausbildung an der Waffe genötigt worden, sagt er. Und betreibt so Legendenbildung, weil er genau weiß, dass Reisen in den Dschihad bis vor Kurzem nicht strafbar waren. Der eine ist eine Memme, der andere ein Schwätzer: Die Rekruten des "Islamischen Staates" fühlen sich nur unter Gleichgesinnten stark. Die aber machen ihren Gegnern und jenen, die sie dafür halten, einen kurzen Prozess. Das Urteil verbreiten sie anschließend auf Youtube-Videos. Ebrahim B. und Ayoub B. ergeht es besser: Die Verhandlung in Celle ist auf 30 Tage angesetzt. Höchststrafe: zehn Jahre. Im Rechtsstaat bekommt eben jeder eine zweite Chance. Auch Memmen und Schwätzer, die auszogen, anderen das Fürchten zu lehren.

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