20.01.2015 20:32:59
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Börsen-Zeitung: Abschied vom starren Ziel, Kommentar zur konjunkturellen Entwicklung in China von Norbert Hellmann
Auf dem Papier sind 7,4% nominelles Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der schwächste Jahresausweis seit 1990, als sich das Reich der Mitte in einer totalen Umbruchphase befand, der sich ein zwei Jahrzehnte währendes Wirtschaftswunder anschloss. Chinas Wachstumsmodell ist wenn schon nicht einer Zerreißprobe, so aber doch einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt. Das Gros der Ökonomen geht davon aus, dass die Dynamik der Wachstumsraten der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft in den kommenden Jahren unaufhaltsam sinken wird.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob Peking dies als natürlichen Anpassungsprozess auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Wirtschaftsmodell hinzunehmen bereit ist - oder aber immer verzweifelter mit künstlichen Belebungsoffensiven, die in der Vergangenheit schwere Verwerfungen von Verschuldungsexzessen bis zu Vermögenspreisblasen nach sich gezogen haben, dagegenhält.
Nach wie vor orientiert sich die chinesische Regierung an einem offiziellen Wachstumsziel, dessen Einhaltung immer problematischer wird. Wird das ausgegebene Wachstumsziel zu hoch angesetzt, gerät man unter Stimulierungsdruck, um dem Gesichtsverlust einer groben Zielverfehlung zu entgehen. Eine niedrige Orientierungsmarke wiederum wirkt defätistisch und wird als Gefahr gesehen, eine sich selbst erfüllende Prophezeiung zu schaffen.
Peking würde gut daran tun, für das laufende Jahr ein flexibleres Ziel auszurufen, etwa in einem Korridor zwischen 6,5 und 7,0%. Dies steht im Einklang mit den gegenwärtigen Prognosen der Analysten der führenden Investmentbanken und des Internationalen Währungsfonds und wäre ein erster Ansatz, sich von der Fixierung auf nominelle Wachstumsraten zu lösen. Deren bloße Erfüllung gibt längst keinen guten Indikator mehr für das Meistern der Herausforderungen im Reich der Mitte ab.
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