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07.09.2014 17:12:58

DER STANDARD-KOMMENTAR "Die Lähmung überwinden" von Michael Völker

Der neue Bewegungsspielraum der Koalition setzt die Opposition unter Druck

Wien (ots) - Warum nicht gleich Mitterlehner? Der neue ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner offenbart einen Gestaltungswillen, den man bei seinem Vorgänger Michael Spindelegger vermisst hatte. Die personelle Umbesetzung, vor allem auch jene im Finanzministerium, bringt Schwung in die Volkspartei. Plötzlich will man wieder was: verändern, gestalten, regieren. Mitterlehner vermittelt derzeit glaubwürdig, dass er etwas weiterbringen will - in seiner Partei und in der Regierung. Auch persönlich: Der Mann hat Ehrgeiz und nutzt die Gunst der Stunde. Soll er sich doch profilieren. Die ÖVP hat frischen Wind dringend notwendig.

Die Regierung auch.

In den jüngsten Umfragen zeigt sich, dass sich die ÖVP erholt. Auf niedrigem Niveau zwar: Die Volkspartei liegt nach wie vor an dritter Stelle, hat sich aber aus dem Grundeln bei 20 Prozent erhoben. Mitterlehner selbst hat Kanzler Werner Faymann in den Umfragewerten überholt. Was kein Riesenkunststück ist, aber immerhin.

Das muss auch Faymann recht sein. Er braucht einen starken Partner, der der Regierung wieder Halt gibt. Die Erwartungshaltung, die man zuletzt gegenüber der Reform- und Gestaltungskraft der Koalition hatte, war äußert bescheiden. Eigentlich beschämend: Man traute dieser Regierung schlichtweg nichts mehr zu. Die Blockadementalität, die sich breitgemacht hatte, führte zu allgemeiner Resignation: Und dann kommt Strache. Eine absolut schauderliche Vorstellung.

Die neu geweckten Lebensgeister der Regierung sind noch kein Garant dafür, dass auch tatsächlich etwas weitergeht. Der Vertrauensvorschuss, der jetzt gewährt wird, muss erst umgesetzt werden. Die Regierung muss endlich ins Handeln kommen. Das zentrale Projekt ist eine Steuerreform. Die allgemeine Steuerlast muss gesenkt werden, das ist für den Einzelnen so wichtig wie für die Wirtschaft im Allgemeinen. Ein paar Ansätze stehen bereits außer Frage, wie die Senkung des Eingangsteuersatzes, und am Ende des Tages wird man wohl auch um eine Gegenfinanzierung nicht herumkommen. Die wird man pragmatisch und ohne Tabus diskutieren müssen.

Eng damit verbunden ist eine Bereinigung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, die seit Jahrzehnten diskutiert wird, für die aber niemand den Mut hatte. Hier sind Faymann und Mitterlehner besonders gefordert: Sie müssen die Landeshauptleute bändigen und ins Boot holen. Kein leichtes Unterfangen: Im nächsten Jahr stehen vier Landtagswahlen an. Der bisherige Lähmungszustand der Regierung kann aber keine Ausrede dafür sein, auch künftig keinen Finger zu rühren. Mindestens ebenso wichtig ist der Bildungsbereich, vom Kindergarten über die Schulen bis zu den Universitäten. Es braucht hier klare Prioritäten, im Finanziellen wie auch in inhaltlichen Konzepten.

Wenn es der Regierung gelingt, ihr Phlegma abzuschütteln, gerät auch die Opposition in Bewegung. Mit einer ÖVP, die sich bewegt und öffnet, wäre den Neos die Existenzgrundlage entzogen. Die müssten aber schlagartig die Flügel heben. Die Grünen müssten ihre Außenstelle im bürgerlichen Lager neu befestigen, und selbst die FPÖ geriete unter Zugzwang. Wenn sich die Regierung selbst wieder ernst nimmt, könnten auch die Wähler erkennen, dass das Grunzen und Grölen der freiheitlichen Politikdarsteller keine Alternative darstellen kann. Aber es bleibt das Wort stehen: wenn.

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