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21.02.2016 13:30:40

EU-Referendum in Großbritannien spaltet Camerons Regierung

LONDON/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Schicksals-Wahl in Großbritannien: Am 23. Juni stimmen die Briten darüber ab, ob sie in der EU bleiben oder austreten wollen. Bereits an diesem Montag wird das Londoner Unterhaus erstmals über die historische "Brexit"-Abstimmung debattieren. Die Regierung von Premierminister David Cameron ist tief zerstritten. Cameron, der zuvor den anderen EU-Ländern bei einem Gipfel in Brüssel erhebliche Sonderrechte für die Briten abgetrotzt hatte, betonte, in der Gemeinschaft sei sein Land "sicherer, stärker und besser dran". Ein Austritt wäre ein Sprung ins Ungewisse.

Der Wahlkampf für das EU-Referendum, dessen Ausgang völlig offen ist, ist in Großbritannien bereits voll entbrannt. Mehrere Minister kündigten Widerstand gegen Camerons Linie an und plädierten für den Ausstieg aus der EU. Der Sender BBC sprach von sechs Dissidenten im Kabinett. Cameron machte aber klar, dass er sie gewähren lässt und nicht auf Kabinettsdisziplin besteht.

"Wir gehen auf eine der größten Entscheidungen zu, die dieses Land zu unseren Lebzeiten trifft", betonte Cameron nach einer Kabinettssondersitzung am Samstag. Am Vorabend hatte sich der EU-Gipfel in Brüssel nach zähem Ringen auf die von Großbritannien geforderten Zugeständnisse geeinigt. Vor allem die Vereinbarung, dass EU-Zuwanderer zeitweise weniger Sozialleistungen bekommen sollen, war umstritten.

Umfragen sehen "Brexit"-Gegner und -Befürworter praktisch gleichauf. Allerdings haben sich viele Briten noch nicht entschieden. Kommentatoren meinten am Sonntag: Stimmen die Briten für einen Austritt, muss Cameron zurücktreten.

Als bislang prominentester "Brexit"-Befürworter outete sich Justizminister Michael Gove. Das Land sei außerhalb der EU "freier, fairer und besser dran", betonte er. Gove galt bisher als enger Vertrauter und Freund Camerons.

Der Chef der rechtspopulistischen Ukip-Partei, Nigel Farage, nannte den Brüsseler Kompromiss "wahrhaft erbärmlich". Oppositionschef Jeremy Corbyn warf Cameron zwar vor, das Referendum nur aus parteitaktischen Gründen abzuhalten. Seine Labour-Partei plädiere aber für einen Verbleib in der Gemeinschaft. Die schottische Nationalpartei SNP, die drittstärkste Kraft im Westminster-Parlament, ist ebenfalls für Verbleib.

Der EU-Gipfel hatte sich nach zweitägigen, äußerst zähen Verhandlungen am Freitagabend geeinigt. Nach Einschätzung von Diplomaten wurde dadurch eine existenzbedrohende Krise zumindest fürs Erste abgewendet: Ein Scheitern hätte mitten in der Flüchtlingskrise ein verheerendes Signal gesendet.

Unter anderem soll nun die Rolle nationaler Parlamente gestärkt werden, London müsse sich nicht an einer weiteren politischen Integration der EU beteiligen. Sozialleistungen für EU-Migranten können zeitweise gestrichen werden. "Die Einigung ist gut, die Einigung ist juristisch solide, die Einigung ist in hohem Maße ausgeglichen", meinte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Abmachung, nannte sie aber zugleich einen "Kraftakt". "Nun wünsche ich David Cameron das Allerbeste", meinte Merkel. Sie hält Teile der Gipfel-Vereinbarungen über Sozialleistungen für EU-Ausländer auch in Deutschland für anwendbar.

"Gerade die Frage des Sozialmissbrauchs beschäftigt uns in Deutschland auch." Das gelte etwa für die Regelung, das Kindergeld an die Lebenshaltungskosten in den Ländern anzupassen, in denen die Kinder tatsächlich leben. Für Deutschland nicht infrage komme dagegen die auf Großbritannien zugeschnittene Lösung, den Zugang zu bestimmten Sozialleistungen für EU-Ausländer für vier Jahre auszusetzen. Nach dem Kompromiss darf London diese "Notbremse" sieben Jahre lang nutzen.

Sollten die Briten tatsächlich für den "Brexit" stimmen, droht der EU eine Krise mit unabsehbaren Folgen. Bisher ist in der Gemeinschafts-Geschichte noch nie ein Land ausgetreten. London trat 1973 der Gemeinschaft bei - damals hieß sie noch Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Bereits 1975 gab es ein Referendum, damals stimmten die Briten mit breiter Mehrheit für den Verbleib./pm/DP/zb

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