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22.06.2014 14:34:47

Gabriel: Juncker bekommt linke Unterstützung - Zeit zum Schuldenabbau

PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Der konservative Luxemburger Jean-Claude Juncker kann auf dem Weg zum EU-Kommissionspräsidenten auf die Unterstützung linker Staats- und Regierungschefs zählen. Zugleich forderten führende Sozialisten und Sozialdemokraten bei einem Treffen in Paris zusammen mit SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel mehr Flexibilität bei der Auslegung des EU-Stabilitäts- und Wachstumspakts.

"Wir haben uns darauf verständigt, dass die Sozialdemokraten akzeptieren, dass die (konservative Europäische Volkspartei) EVP die europäischen Wahlen gewonnen hat und Jean-Claude Juncker Präsident der europäischen Kommission werden soll", sagte SPD-Chef Gabriel in Paris.

Die acht Staats- und Regierungschefs - unter anderem aus Österreich, Italien, Belgien, Dänemark und Tschechien - waren auf Einladung des französischen Staatschefs François Hollande nach Paris gekommen, um ihre Positionen vor dem bevorstehenden EU-Gipfel am Sonnerstag und Freitag (26./27. Juni) abzustimmen. Hollande hatte auch Gabriel und den sozialdemokratischen EU-Spitzenkandidaten Martin Schulz geladen.

Als erklärter Juncker-Gegner will Großbritanniens konservativer Premierminister David Cameron eine Abstimmung über die Kandidatur des Luxemburgers beim EU-Gipfel erzwingen. Cameron werde darüber am Montag mit dem scheidenden EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy in London sprechen, hieß es am Sonntag. Wenn die 28 Staats- und Regierungschefs der EU beim Gipfel keine anderen Kandidaten in Betracht zögen, werde Cameron die Abstimmung verlangen. Cameron will Juncker verhindern, weil er ihn nicht für reformfreudig hält. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt Juncker dagegen als Nachfolger von José Manuel Barroso.

Sozialisten und Sozialdemokraten stellten auch inhaltliche Forderungen an die künftige EU-Kommission. "Wir wollen der Formel Reformen gegen Zeit beim Defizitabbau folgen", erläuterte Gabriel den verabredeten Kurs der Sozialdemokraten. Dies bedeute "keine Veränderungen am Stabilitäts- und Wachstumspakt". Es müsse aber dafür gesorgt werden, "dass die Chancen des Paktes für Wachstum und Arbeit endlich genutzt werden". Das Thema Stabilität könne nicht weiter einseitig bedient werden. "Wir müssen auch die anderen Teile des Paktes nutzen, die dafür sorgen, dass Wachstum und Arbeit in Gang kommen."

Auch Hollande sprach sich erneut für mehr Flexibilität beim EU-Pakt aus. Wachstum und Beschäftigung hätten Priorität, sagte der Staatschef. Aus seiner Sicht müssen die Ergebnisse der Europawahlen berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass die EU sich neu orientiert. Aus den Wahlen waren in vielen Ländern vor allem rechtsextreme und europakritische Parteien gestärkt hervorgegangen.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte, Stabilität und Wachstum dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Gleichzeitig betonte der Sozialdemokrat: "Wir haben einen Nachholbedarf beim Wachstum."

Über die Berufung Junckers gibt es heftigen Streit in der EU. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, der zusammen mit Hollande auf eine Lockerung der Sparauflagen gepocht hatte, hielt sich eine Zustimmung zu Juncker lange offen.

Gabriel bekräftigte nach dem Pariser Treffen die Erwartung, dass andere EU-Posten von Sozialdemokraten und Sozialisten besetzt werden. Schulz habe die einhellige Unterstützung für eine erneute Kandidatur als Präsident des Europaparlaments bekommen. Aber: "Das ersetzt nicht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Konservativen und Sozialdemokraten in der Kommission."

In diesen Funktionen müssten auch Frauen sichtbar werden, sagte Gabriel auf die Frage, ob eine Italienerin EU-Außenbeauftragte werden könnte. Im Gespräch ist die italienische Außenministerin Federica Mogherini. Auch Dänemarks Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt, die in Paris mit am Tisch saß, wird für einen wichtigen EU-Posten gehandelt. Gabriel wollte jedoch keine Namen nennen.

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, warnte Gabriel davor, die Debatte um den Stabilitätspakt zu überziehen. Eine Aufweichung der Kriterien werde es mit seiner Fraktion nicht geben, sagte der CSU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Weber machte die Kooperation mit den Sozialisten im EU-Parlament davon abhängig. Die Zusammenarbeit sei zwar gewollt, "aber dann nicht denkbar, wenn der Euro aufgeweicht werden soll. Das ist eine rote Linie", sagte er.

In der Union wird die Debatte mit Sorge zur Kenntnis genommen. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), warnte Gabriel im "Spiegel" davor, den Bogen zu überspannen. "Wenn die SPD von der Union Änderungen beim Stabilitätspakt verlangt, dann ist das so, als ob wir den Kompromiss zum Mindestlohn absagen würden. Es gibt Grenzen."/gro/DP/zb

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