01.07.2018 15:31:40
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GESAMT-ROUNDUP: Hochspannung im Unionsstreit - Merkel lässt Lösung vorerst offen
BERLIN/MÜNCHEN (dpa-AFX) - Hochspannung zwischen CDU und CSU bis zuletzt: Kurz vor getrennten Sitzungen der Unionsparteien hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) offengelassen, ob im erbitterten Migrationsstreit mit der CSU noch am Sonntag eine Lösung gefunden werden könnte. Sie werde alles daran setzen, dass es sowohl bei CDU als auch CSU Ergebnisse gebe, "bei denen wir Verantwortung für unser Land wahrnehmen können", sagte Merkel am Nachmittag bei der Aufzeichnung des Sommerinterviews der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Für die Union seien es wichtige Beratungen, es stehe viel im Raum. "Dass es ernst ist, weiß jeder."
CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer ging ohne Kommentar für die wartenden Journalisten in die CSU-Zentrale in München. Dort wollten der Vorstand und die Bundestagsabgeordneten beraten, wie sie beim EU-Gipfel erzielte Vereinbarungen für Asyl-Verschärfungen bewerten. Bei der CDU sollten vom späten Nachmittag an Präsidium und Vorstand in Berlin zusammenkommen. Merkel und Seehofer hatten noch am Samstagabend unter vier Augen beraten. Kern des Streits sind Pläne Seehofers, in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber notfalls im Alleingang an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Merkel lehnt einseitige Aktionen ab und pocht auf ein europäisches Vorgehen.
Merkel betonte im ZDF, sie wolle, dass CDU und CSU gemeinsam weiter arbeiten können. Für sie gelte aber nach wie vor: nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter. Merkel sagte, sie verstehe das Anliegen, mehr Ordnung in Weiterreisen registrierter Asylbewerber zu bringen. Dem sei sie mit Vereinbarungen auf EU-Ebene entgegengekommen. Die CSU habe sie dabei "sicher auch ein Stück" angespornt. Zur Frage, ob die Forderungen der CSU erfüllt seien, sagte die Kanzlerin: "In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlossen haben, ist das wirkungsgleich. Das ist meine persönliche Auffassung. Die CSU muss das natürlich für sich entscheiden."
Merkel wollte nicht auf die Frage eingehen, ob sie Seehofer notfalls als Minister entlassen würde - dies würde das Ende der Koalition bedeuten. Sie ließ auch offen, ob sie letztlich eine Vertrauensfrage im Bundestag stellen würde.
Beim Gipfel in Brüssel hatte sich die EU auf weitere Verschärfungen der Migrationspolitik verständigt. So sollen Bootsflüchtlinge in zentralen Sammellagern in der EU untergebracht werden. Merkel erhielt nach eigenen Angaben zudem Zusagen mehrerer Länder, über schnellere Rückführungen von Migranten zu verhandeln. Außerdem wurden am Samstag überraschend weitgehende zusätzliche Asyl-Vorschläge Merkels bekannt.
Die CDU-Spitze hatte sich demonstrativ hinter Merkel gestellt. Der Bundesvize und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", der EU-Gipfel habe ein "besseres Ergebnis erzielt, als wir noch vor ein paar Tagen erwarten durften". Und: "Die CSU hat viel erreicht. Ich hoffe, dass nationale Alleingänge jetzt vom Tisch sind." EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) mahnte, das Gipfel-Ergebnis sei nur möglich gewesen, weil Merkel in ganz Europa Autorität und Ansehen genieße. "Das ist sehr wertvoll für Deutschland, niemand sollte es zerstören."
Die CSU-Spitze hielt sich zunächst weitgehend mit Bewertungen der gesamten Lage zurück. Parteivize Manfred Weber begrüßte vor der Vorstandssitzung die Beschlüsse des EU-Gipfels, die eine echte Wende in der europäischen Asylpolitik gebracht hätten. "Allerdings ist auch klar, dass viele der Maßnahmen nur mittel- oder langfristig wirken. Insofern müssen wir als CSU überlegen, wie wir mit der Lage umgehen."
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte Äußerungen aus einigen EU-Ländern aufgegriffen. So hatte etwa Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis Angaben aus Berlin widersprochen, dass mit seinem Land über schnellere Rückführungen von Flüchtlingen verhandelt worden sei. Dobrindt sagte der "Bild am Sonntag", angesichts solch divergierender Wortmeldungen "kann man Zweifel haben, ob die Ratsbeschlüsse alle Realität werden". Merkel betonte im ZDF, sie habe politische Zusagen gehabt. "Wenn es jetzt zu Missverständnissen gekommen ist, bedauere ich das. Wir werden weiter im Gespräch bleiben." Es sei über solche Abkommen gesprochen worden, abgeschlossen habe man sie nicht.
Die SPD als dritter Koalitionspartner forderte die CSU zu einem Ende der Eskalation auf, die den Bestand der Regierung gefährden könnte. In einem eigenen Papier positioniert sich die SPD für eine europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik. Demnach steht sie für eine "gesamteuropäische Lösung", für ein "europäisches Asylsystem und solidarisch geteilte Verantwortung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen". In dem Papier, das an diesem Montag vom Vorstand beschlossen werden soll, lehnt die SPD nationale Alleingänge bei Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze ebenfalls ab.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte: "Die Vorschläge, die derzeit im Mittelpunkt des unsäglichen Streites der Unionsparteien stehen, sind ein Manifest der Abschottung und Ignoranz." Es helfe aber nichts, die Augen vor den Ursachen von Flucht und Vertreibung einfach zu verschließen. Merkel verteidigte die erneute Verschärfung der EU-Asylpolitik. "Wir ziehen nicht die Brücken hoch, sondern wir fragen uns, was können wir tun, um illegalen Schleppern und Schleusern das Handwerk zu legen", sagte sie im ZDF. Die gingen hartherzig mit dem Leben der Flüchtlinge um und bereicherten sich an ihnen. Dem könne Europa nicht zusehen./sam/bk/poi/had/ctt/DP/men
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