01.07.2018 14:27:41
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Langwierige Beweisaufnahme - Prozess um Infinus-Skandal vor dem Ende
DRESDEN (dpa-AFX) - Geschäft oder Betrug? Die Beweisaufnahme zog sich hin, für die Plädoyers brauchte es mehrere Sitzungstage. Montag in einer Woche (9. Juli) will die Wirtschaftsstrafkammer des Dresdner Landgerichts nun im Saal 1.05 das Urteil über die sechs angeklagten früheren Manager der größtenteils insolventen Infinus-Finanzgruppe verkünden. Ob damit eines der größten Wirtschaftsstrafverfahren Deutschlands endet, ist mehr als fraglich. Bei Verurteilungen sei eine Revision unausweichlich, sagt Michael Stephan, einer der insgesamt zwölf Verteidiger. Dafür gebe es genügend Ansätze.
Seit November 2015 trafen sich die Angeklagten samt Verteidigern sowie drei Staatsanwälte, drei Berufsrichter und zwei Schöffen regelmäßig in dem fast 140 Jahre alten Justizgebäude. Dem Gründer des Mutterkonzerns Future Business (Fubus) und vier Ex-Führungskräften werden gewerbsmäßiger Betrug im besonders schweren Fall und Kapitalanlagebetrug vorgeworfen und einem weiteren Angeklagten Beihilfe. Die Hauptakte zu dem Fall füllt über 60 Ordner, die eingescannten elektronischen Daten umfassen etwa 50 Terrabyte. "Ein Mammutverfahren", sagt Stephan.
Die Staatsanwaltschaft sieht ihre Vorwürfe bestätigt, dass die Männer ein "Schneeballsystem" betrieben und etwa 22 000 Anleger um rund 312 Millionen Euro betrogen. Sie hätten mit hohen Gewinnen, guter Reputation, prominenten Fürsprechern und stetig wachsendem Unternehmensvermögen Erfolg vorgespielt, resümierte der Anklagevertreter im Schlussvortrag. Tatsächlich aber seien Orderschuldverschreibungen und Nachrangdarlehen mit zu hohen Renditeversprechen gehandelt worden, die nur mit dem Geld von zusätzlich eingeworbenen Anlegern hätten bedient werden können.
Um den Schein zu wahren, hätten die zuletzt 22 Gesellschaften des Firmengeflechts untereinander Luftgeschäfte abgeschlossen, die Gewinne generierten, aber nur auf dem Papier existierten, so der Ankläger. Es sei erwiesen, dass sie "spätestens ab 2011 wissentlich und willentlich ein betrügerisches, auf systematische Täuschung der Anleger aufbauendes Geschäftsmodell" betrieben. Ihr Tun sei aber durch "vorsätzlich fehlerhafte" Arbeit von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern begünstigt worden. "Das hat es den Angeklagten erleichtert, das was sie taten, zu verdrängen."
Ein Hinweis der Bundesbank und der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin hatte die Ermittlungen Mitte 2012 ins Rollen gebracht, Ende 2013 klickten die Handschellen. Bei einer Razzia waren Villen, Luxuswagen und anderes Vermögen beschlagnahmt worden. Seit Herbst 2016 sind alle Beschuldigten wieder auf freiem Fuß, gegen Kaution oder unter Auflagen. Allein 20 Prozesstage erforderte deren Befragung, ein Geständnis hat keiner der Männer abgelegt.
Für die Verteidiger sind die Vorwürfe haltlos. Sie sehen keine Beweise für Straftaten, einer sprach sogar von "Fake News". Mit einer Ausnahme forderten die Anwälte Freisprüche. Das Geschäftsmodell sei tragfähig gewesen, ihre Mandanten hätten rechtzeitig Vorsorge getroffen, Erlöse auch aus Fremdgeschäft zu generieren, um 2016 in die Gewinnzone zu gelangen. Die Infinus-Gruppe sei bis zum Einschreiten der Staatsanwaltschaft sämtlichen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen.
Glaubt man den Verteidigern, wurde ein ordnungsgemäß geführtes Unternehmen zerschlagen. Sie kritisierten die Strafkammer und besonders deren Vorsitzenden scharf und nannten ihn "bis zum Erbrechen" voreingenommen. Rechtsanwalt Stephan spricht von unprofessioneller "Schärfe und Härte" des Gerichts, das eigentlich objektiv nach der Wahrheit suchen sollte. "Viele Argumente der Verteidigung wurden abgetan, verdrängt, Entlastungszeugen und Beweisanträge am Fließband abgelehnt."
Die zähe und oft ermüdende Beweisaufnahme mit der Verlesung endloser Zahlenkolonnen und betriebswirtschaftliche Tiefgänge forderte alle Prozessbeteiligten enorm. Fast 240 Zeugen aus dem In- und Ausland wurden befragt - Kriminalbeamte, Infinus-Angestellte, -Vermittler, Insolvenzverwalter, Versicherungsmanager, Anleger oder Vertreter von Aufsichtsbehörden. Terminchaos und riesige Aktenberge begleiteten den Prozess.
Der Staatsanwalt hat Freiheitsstrafen bis zu acht Jahren für die Angeklagten gefordert und die Einziehung ihres Vermögens im Wert von fast 53 Millionen Euro. Der Kammervorsitzende hatte im Frühjahr 2016 einen Ausblick auf das möglicherweise zu erwartende Strafmaß gegeben, um die Angeklagten zu Geständnissen zu bewegen: fünf bis neun Jahre Gefängnis./mon/DP/men
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