07.01.2015 19:22:58
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Lausitzer Rundschau: "Ich wage gar nicht, meine Freunde in Paris anzurufen" Charlie Hebdo-Kenner Peter Ronge zur Karikaturisten-Szene
Von Corinna Karl
Sie sind seit Jahren mit vielen französischen Karikaturisten befreundet, haben Bücher geschrieben und sind Mitglied der deutsch- französischen Karikatur-Forschungsgruppe E.I.R.I.S.. Wie gut kannten Sie die getöteten Karikaturisten? Ronge: Wir waren Duzfreunde. Georges Wolinski und Jean Cabut vor allem. Ich bewundere den Menschen Cabu sehr. Er hat jahrzehntelang wirklich gute Karikaturen gezeichnet. Er hat es nicht leicht gehabt im Leben. Sein Sohn ist an Aids gestorben. Wenn ich daran denke, welche Menschen hinter den Künstlernamen stehen, die getötet worden sind, macht mich das traurig. Wenn ich in Paris war, tauchte ich komplett in diese Szene ein. Ich hatte schon wieder eine Reise geplant, weil ich an einem Projekt arbeite. Ich soll ein Buch ins Deutsche übersetzen, das sich mit dem Thema Karikaturen befasst. Ich wage gar nicht, meine Freunde in Paris anzurufen. Wer weiß, wer noch gestorben ist. Bislang kenne ich nur die vier Namen. Ich hoffe, es haben viele mir bekannte Zeichner überlebt, weil sie von zu Hause aus gearbeitet haben. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wer noch unter den Opfern ist. Warum haben die Terroristen ausgerechnet die Redaktion von Charlie Hebdo angegriffen? Ronge: Ausgangspunkt war vor Jahren die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen einer dänischen Zeitung. Es waren schlecht gemachte Zeichnungen. Ich konnte die Veröffentlichung damals nicht verstehen. Die Redaktion wurde daraufhin schon einmal überfallen und angefackelt. Niemand wurde verletzt. Selbst nach diesem Anschlag und Drohungen hat man sich nicht kleinmachen lassen. Es wurden weiter auch islamkritische Karikaturen veröffentlicht. Ich glaube, allein die Tatsache, dass sie damals weitergemacht haben, trieb die Täter an. Man hätte sich besser schützen müssen. Man hätte also bessere Vorkehrungen treffen müssen? Ronge: Der zentrale Fehler war, dass sie aus dem Stadtzentrum weggezogen sind, in einen Einzelbau. Eine solche Zeitung müsste sich an einem Platz niederlassen, wo es belebt und nebenan eine Polizeistation ist. Die Sicherheitsvorkehrungen hätten sie am alten Standort besser ausbauen können. Was machte die Zeichner aus? Ronge: Alle Karikaturisten haben ihre eigene Art und Sujets. Wolinski beispielsweise hatte in Charlie Hebdo eine feste Seite zu füllen. Er wählte häufig sexuelle Themen, zeichnete überwiegend nackte Damen. Oft stand da der sexuelle Aspekt im Vordergrund. Das hat mir persönlich oft nicht gefallen, obwohl ich sehr wohl gerne gut gemachte Karikaturen nackter Damen mag. Cabu war sehr vielseitig. Er hatte zwar keine feste Seite im Blatt, war aber dennoch viel vertreten. Beide waren wichtige Säulen des ganzen Ladens. Es ist traurig. Charb war Chefredakteur. Er hat auch viel gezeichnet und hielt bis zuletzt an den alten Kämpfern wie Cabu fest. Was wird nun aus der Zeitung? Ronge: Charlie Hebdo hat wie viele andere Zeitungen seit Jahren große wirtschaftliche Schwierigkeiten und kämpft um jeden Abonnenten. Diese Tragödie, und da bin ich mir sicher, wird die Szene nur noch mehr zusammenschweißen. Sie wird das Milieu stärken. Aber die getöteten Karikaturisten werden der Zeitung fehlen. Es waren besondere Leute. Ich bin in Gedanken bei ihnen.
Mit Peter Ronge
sprach Corinna Karl
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