25.07.2014 20:45:58
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Mittelbayerische Zeitung: Die neue elektronische Gesundheitskarte sollte längst eingeführt sein. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots) - Gibt es noch ein Land, wo man die Nase eher
rümpfen lernt als putzen, fragte vor über 200 Jahren der Aphoristiker
Georg Christoph Lichtenberg. Nun ja, so manches große Vorhaben, das
von Politik und/oder Verwaltung ersonnen wurde, hat es gar nicht so
leicht im Land der notorischen Naserümpfer. Niemand weiß etwa, wann
der Berliner Großflughafen BER, wann die Hamburger Elbphilharmonie
oder der Prestige-Bahnhof Stuttgart 21 fertig werden. Und was das
alles kostet. In die Liste der wackligen, aber äußerst kostspieligen
Großprojekte darf getrost die elektronische Gesundheitskarte
aufgenommen werden. Das mittlerweile rund eine Milliarde Euro teure
IT-Projekt im Gesundheitsbereich sollte eigentlich bereits 2006
eingeführt werden. Die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt
und die beteiligten Firmen versprachen jedenfalls Wunderdinge.
Erleichterungen für Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken - und natürlich
für die Patienten. E-Health, also die elektronische Unterstützung im
Gesundheitswesen, heißt das Zauberwort bis heute. Der Arzt klappt
sein Notebook auf und hat sofort die Krankheitsdaten des Patienten
vorliegen, inklusive des letzten Röntgenbildes, natürlich der
Blutgruppe, dem Hinweis auf eine Medikamentenunverträglichkeit, auf
Allergien oder den eingesetzten Herzschrittmacher und die
Hüftprothese. Das alles klingt sinnvoll. Das scheckkartengroße
Plastikteil könnte sozusagen ein Tausendsassa werden, der Ärzten,
Apothekern und anderen viel Routinearbeit abnimmt, ja könnte. Soweit
der schöne Plan. Doch seither ist viel Zeit vergangen. Mit Herman
Gröhe hat nun bereits der vierte Bundesgesundheitsminister die kleine
Hightech-Karte auf dem Tisch. Getan hat sich nicht viel. Es gab und
gibt dagegen jede Menge Nasenrümpfen, also heftigen Widerstand von
Ärzten, die gerne alles beim Alten lassen würden. Hinzu kommen eine
Menge technische Probleme, nicht nur Kinderkrankheiten und eine
gewaltige Skepsis bis offene Ablehnung und/oder Unkenntnis bei den
Versicherten. Woher sollen sie es auch wissen, wenn immer nur neue
schlechte Nachrichten über die Karte zu lesen und zu hören sind.
Obendrein sind die Menschen von den diversen Daten-Skandalen der
jüngsten Zeit, von der NSA-Schnüffelei, von Hacker-Angriffen auf
scheinbar sichere Kundendaten bei Internet-Firmen und Banken äußerst
misstrauisch geworden. Mit der elektronischen Gesundheitskartei soll
auf keinen Fall der gläserne Patient erschaffen werden, in dessen
Krankenakte nun alle möglichen Unbefugten, Versicherungen,
Arbeitgeber, Krankenkassen, Pharmaindustrie lesen können wie in einem
offenem Buch - und wer weiß, wer noch alles. "Meine Daten gehören
mir" muss ein Grundsatz sein, der ganz besonders für den Bereich der
eigenen Gesundheit, beziehungsweise Krankheit zu gelten hat. Außer
dem Arzt des Vertrauens gehen diese intimen Informationen niemanden
etwas an. Das muss die neue Karte gewährleisten. Gegen das
Pannen-Image der elektronischen Gesundheitskarte will nun Hermann
Gröhe angehen, einst CDU-Generalsekretär und eher widerwillig in
dieses heikle Ministeramt gekommen. Das immer wieder verzögerte
Projekt will er mit einem E-Health-Gesetz angekurbeln. Und wer weiß,
vielleicht gibt es die funktionierende elektronische
Gesundheitskarte, noch bevor der erste Jet vom hauptstädtischen BER
abhebt.
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