03.02.2016 22:17:37
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Mittelbayerische Zeitung: Ein vorsichtiger Schwenk / Vom zweiten Asylpaket sind keine Wunderdinge zu erwarten. Leitartikel von Reinhard Zweigler
Regensburg (ots) - Politik sei ein starkes, langsames Bohren
dicker Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich, meinte einst
der Philosoph Max Weber. So gesehen geht die Berliner Großkoalition
mit ihrem gestern auf den Weg gebrachten zweiten Asylpaket daran, das
äußerst harte Brett des Flüchtlingsproblems zumindest weiterhin
langsam zu bearbeiten. Von Leidenschaft kann dagegen kaum die Rede
sein. Man agiert nach monatelangem Streit, nach giftigen Attacken
zwischen München und Berlin, eher als von der puren Not Getriebene.
Das zweite Asylpaket beinhaltet eine Reihe weiterer Trippelschritte.
Wunderdinge sind nicht zu erwarten. Der Flüchtlingsstrom wird nun
nicht plötzlich abebben, wahrscheinlich nicht einmal nennenswert
zurückgehen. Doch ganz klar ist die Absicht des jetzigen
Maßnahmenbündels: der Flüchtlingsstrom soll eingedämmt werden.
Weniger der Ankommenden sollen in Deutschland bleiben dürfen. Dies
ist, ohne das es die Kanzlerin jemals aussprechen würde, ein
vorsichtiger Schwenk in ihrer Flüchtlingspolitik in Richtung
Realität. Erst am Wochenende hatte Angela Merkel der staunenden
Öffentlichkeit erklärt, dass ein Großteil der syrischen Flüchtlinge
wohl oder übel zurück in die Heimat gehen müsse. Nach der
grenzenlosen Grenzöffnung im Sommer, nach über einer Million
Flüchtlingen und Asylbewerbern im Land, nach überfüllten Turnhallen
und überforderten Kommunen heißt es nun in Berlin: Vorsicht, damit
das Boot nicht überladen wird. Man kann den vorsichtigen Kurswechsel
der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage mit vielen Mosaikstücken
erklären. Mit der Penetranz von Horst Seehofer, mit dem
Wiedererstarken der letzten Sommer schon ziemlich abgehalfterten AfD,
mit dem Abschwung der Union in den Umfragen oder mit der Bockigkeit
von EU-Partnern vor allem in Osteuropa, die regierungsamtlich
Flüchtlingsphobie an den Tag legen, mit der Unfähigkeit der EU, das
Problem gemeinsam anzugehen. Wahrscheinlich hat alles zusammen und
noch viel mehr eine Rolle gespielt. Jetzt wird an Stellschrauben
gedreht, damit der Flüchtlingszustrom gesteuert, geregelt - und vor
allem begrenzt werden kann. Mit dem Gesetzespaket hat die
schwarz-rote Koalition jetzt gerade noch einmal die Kurve gekriegt,
bevor sie sich völlig der Lächerlichkeit und Untätigkeit preisgegeben
hätte. Es ist nicht vergessen, dass die gestern als
Gesetzesvorschläge vom Kabinett auf den Weg gebrachten Regelungen
immerhin bereits vor einem Vierteljahr verabredet worden waren.
Schnellere Asylverfahren beispielsweise oder die Verknüpfung von
Leistungen mit der Registrierung und Verteilung von Asylsuchenden.
Die Aussetzung des Familiennachzugs für eine kleine Gruppe von
syrischen Flüchtlingen. Vieles davon ist nicht mehr als
Symbolpolitik. Wichtiger ist dagegen, dass das Drunter-und-drüber in
der Registrierung von Flüchtlingen - oder eben deren
Nichtregistrierung - endlich aufhört. Nicht unmittelbar zum
Asylpaket, wohl aber zum Problemkreis, gehört ebenfalls die
Ausweitung sicherer nordafrikanischer Drittstaaten, Marokko, Algerien
und Tunesien. Im Falle der Ankommenden aus dem Westbalkan hatte diese
Maßnahme im Vorjahr fast zum Versiegen dieses Stroms von vor allem
Wirtschaftsflüchtlingen geführt. Unumstritten sind solch pauschale
Persilscheine mit Blick auf die Einhaltung der Menschenrechte in
diesen schwierigen Ländern freilich nicht. Und dass Horst Seehofer
gleich noch weitere elf Staaten den Unbedenklichkeitsstatus vergeben
will, ist hanebüchen.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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