22.04.2018 21:03:42
|
Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel Mittelbayerische Zeitung (Regensburg) zur Wahl von Andrea Nahles zur SPD-Vorsitzenden:
Regensburg (ots) - Frau, gläubig, links. So hat Andrea Nahles vor
einigen Jahren schon ihre Biografie überschrieben. Man darf nach
ihrer nicht gerade glänzenden Wahl zur Parteivorsitzenden getrost
hinzufügen: Trümmerfrau der SPD, etablierte Parteisoldatin mit
einschlägiger Regierungserfahrung, Pipi-Langstrumpf-Imitatorin, die
manchmal zu Kraftausdrücken neigt. In den GroKo-Wirren wurde sie erst
als Kandidatin für den Parteijob ausgekungelt und gestern schließlich
gewählt. Vor Nahles liegt nun das Kunststück, der ziemlich
abgestraften, verunsicherten Partei neues Profil und neue Schlagkraft
zu verleihen - und vor allem neues Vertrauen der Wähler zu erringen.
Und dies alles noch unter den Bedingungen des Mitregierens in der
ungeliebten GroKo. An dieser Herkulesaufgabe sind schon einige
Vorsitzende vor ihr kläglich gescheitert. Allerdings spricht für die
Frau aus der Eifel, dass sie sowohl die Innereien ihrer Partei, den
Berliner Politikbetrieb, als auch die Sorgen und Nöte der kleinen
Leute bestens kennt. Nahles ist nicht nur eine Frau mit Ecken und
Kanten, eine mit lockerer Zunge, sondern auch eine, die sich nicht
verbiegen lässt, die nicht abhebt, wie vielleicht mancher SPD-Chef
vor ihr. Mit den Nachwehen der Agenda 2010 hat sie jedoch zugleich
ein politisches Erbe aus der Schröder-Müntefering-Zeit übergeworfen
bekommen, dass sie nicht so ohne weiteres abschütteln kann. Das
Prinzip des Förderns und Forderns ist in der bürokratischen
Sozialstaats-Praxis so ziemlich in ihr Gegenteil verkehrt worden.
Nahles, und mit ihr die gesamte SPD, steckt dabei insofern in der
Bredouille, dass sie über die Regierung höchstens kleine
Veränderungen wird vornehmen können. Das jedoch könnte in den Augen
von Millionen ehemaliger SPD-Wähler zu wenig sein. Der Absturz der
ehemaligen Volks-Partei unter die 20-Prozent-Marke in der
bundesweiten Wählergunst scheint nicht aufgehalten. Bereits die
Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Oktober werden auch zum Test
für die neue SPD-Vorsitzende. Dabei stimmt das gestrige Wahlergebnis
ziemlich genau mit dem Kräfteverhältnis in der Partei zwischen den
Anhängern der Groß-Koalition und ihren Gegnern überein. Andrea Nahles
ist, wenn man so will, eine Art Zwei-Drittel-Parteivorsitzende. Sie
muss beide Pole, die linken GroKo-Gegner wie die eher pragmatischen
Befürworter, und die breite Masse dazwischen berücksichtigen und bei der Stange halten. Einfach wird das nicht. Schon pocht der Juso-Chef Kevin Kühnert, der zur Wahl überraschend ins Nahles-Lager überwechselte, auf den Vorsitz im vergleichsweise wichtigen SPD-Arbeitskreis Sozialpolitik. Gut für die innerparteiliche Demokratie in der SPD war jedenfalls, dass sich eine mutige Gegenkandidatin zur erfahrenen Parteimanagerin fand. Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange hat den Großkopferten der Partei gezeigt, dass die Basis nicht bereit ist, in Hinterzimmern ausgekungelte Entscheidungen so einfach mitzutragen. Das Beispiel aus dem Norden könnte auch in anderen Parteien Schule machen. Demokratie lebt vom Diskurs, lebt von Alternativen, programmatisch-politischen wie personellen. Der CDU etwa steht mit dem - absehbaren - Ende der Parteikarriere von Angela Merkel ebenfalls ein personeller Umbruch ins Haus. Wählen heißt ja schließlich auch - auswählen. Ob mit ihrer Wahl zur Vorsitzenden allerdings bereits die Vorentscheidung für Nahles als nächste Kanzlerkandidatin der SPD in knapp drei Jahren gefallen ist, steht noch in den Sternen. Das Macht-Tandem zwischen ihr und Vize-Kanzler Olaf Scholz scheint jedenfalls zu funktionieren. Und wer weiß, vielleicht hat Nahles von Merkel gelernt. Die CDU-Chefin ließ 2002 Edmund Stoiber den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur. Nach seinem knappen Scheitern war Merkel drei Jahre später Kanzlerin.
Befürworter, und die breite Masse dazwischen berücksichtigen und bei der Stange halten. Einfach wird das nicht. Schon pocht der Juso-Chef Kevin Kühnert, der zur Wahl überraschend ins Nahles-Lager überwechselte, auf den Vorsitz im vergleichsweise wichtigen SPD-Arbeitskreis Sozialpolitik. Gut für die innerparteiliche Demokratie in der SPD war jedenfalls, dass sich eine mutige Gegenkandidatin zur erfahrenen Parteimanagerin fand. Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange hat den Großkopferten der Partei gezeigt, dass die Basis nicht bereit ist, in Hinterzimmern ausgekungelte Entscheidungen so einfach mitzutragen. Das Beispiel aus dem Norden könnte auch in anderen Parteien Schule machen. Demokratie lebt vom Diskurs, lebt von Alternativen, programmatisch-politischen wie personellen. Der CDU etwa steht mit dem - absehbaren - Ende der Parteikarriere von Angela Merkel ebenfalls ein personeller Umbruch ins Haus. Wählen heißt ja schließlich auch - auswählen. Ob mit ihrer Wahl zur Vorsitzenden allerdings bereits die Vorentscheidung für Nahles als nächste Kanzlerkandidatin der SPD in knapp drei Jahren gefallen ist, steht noch in den Sternen. Das Macht-Tandem zwischen ihr und Vize-Kanzler Olaf Scholz scheint jedenfalls zu funktionieren. Und wer weiß, vielleicht hat Nahles von Merkel gelernt. Die CDU-Chefin ließ 2002 Edmund Stoiber den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur. Nach seinem knappen Scheitern war Merkel drei Jahre später Kanzlerin.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
Der finanzen.at Ratgeber für Aktien!
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!
Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!