14.12.2015 21:57:39
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christian Kucznierz zum CDU-Parteitag
Regensburg (ots) - So gut wie einstimmig hat der CDU-Parteitag dem
Antrag zur Flüchtlingspolitik zugestimmt. Und das, obwohl im Vorfeld
gefürchtet wurde, dieser Parteitag könnte für die Vorsitzende zum
Debakel werden. Er wurde es zumindest am ersten Tag nicht. Das hat
viel damit zu tun, dass Angela Merkel ihre Kritiker verstummen ließ.
Mit einem Kompromiss, von dem man zurecht behaupten darf, dass er zu
ihren Gunsten ausging. Aber mit allem anderen hätte sich die CDU auch
keinen Gefallen getan. Dem Land auch nicht. Merkel hat einmal mehr
deutlich gemacht, dass es gute Gründe dafür gibt, warum das Magazin
"The Economist" sie kürzlich als "unverzichtbare Europäerin"
bezeichnet hat. Man müsste spätestens nach ihrer gestrigen Rede und
dem Votum für ihre Politik hinzufügen: Sie ist auch die
unverzichtbare Parteivorsitzende - wahrscheinlich auch die
unverzichtbare Kanzlerin. Das liegt nicht an ihren rednerischen
Fähigkeiten. Die sind, und das hat sie beim Parteitag einmal mehr
gezeigt, nicht brillant. Es liegt an etwas Neuem im Merkel-Land,
etwas, das lange fehlte und das ebenso lange als fehlend kritisiert
wurde: Es gibt eine Vision. Die Kanzlerin hat sie vor ihrer Partei
erneut dargelegt, sie hat sie damit aber auch den Menschen, die ihre
Politik zuletzt äußerst kritisch beäugten, noch einmal erklärt.
Merkels Parteitagsrede war eine Regierungserklärung. Allerdings keine
neue Agenda 2010 mit konkreten Maßnahmen, mehr eine Skizze dessen,
was ihr vorschwebt und wofür sie derzeit kämpft. Das Deutschland in
der Merkelschen Vision schafft es, die Herausforderungen zu
bewältigen, vor welche die enorme Zahl von Flüchtlingen das Land
stellt. Ihr Deutschland ist eines, dass die Globalisierung als Chance
begreift. Ja, sie hat ihren Kritikern zugestanden, dass etwas getan
werden muss. Dass die Zahl der Flüchtlinge reduziert werden muss. Sie
hat allerdings nicht gesagt, was sie dafür machen wird - außer das,
was bereits von ihrer Regierung beschlossen ist. Sie hat keine
Obergrenzen genannt. Sie hat die Partei um den Finger gewickelt.
Auch, weil die CDU weiß, dass sie niemanden in Merkels Liga hat. Wer
jetzt Wolfgang Schäuble sagt, hat nicht gemerkt, welchen Einfluss die
Kanzlerin auf die Weltpolitik hat. Die Kür zur "Person des Jahres"
durch das "Time" Magazin ist nur der deutlichste Ausdruck dessen.
Weil aber die Partei niemanden hat, der sie führen und das Land
international an der Spitze halten kann, ist sie Merkel ausgeliefert.
Das birgt ein großes Risiko: für die CDU, für Merkel, für das Land.
Doch was sind die Alternativen? Im bürgerlichen Spektrum sind sie
nicht vorhanden. Die AfD mag von der spaltenden Debatte über das
Wohin der deutschen Gesellschaft profitieren, doch die Toleranz
gegenüber völkischen Ideen disqualifiziert sie. Und andere Antworten
als die Grenzen zu schließen hat sie nicht. Wer sieht, was
geschlossene Grenzen in Europa bewirken, weiß, dass dies keine Lösung
ist. Wie die aussehen könnte, steht in dem Antrag, den die CDU
beschlossen hat. Er beinhaltet, die europäischen Grenzen zu sichern
und dafür zu sorgen, dass Flüchtlinge in den Erstaufnahmeländern wie
der Türkei versorgt werden können. Er sieht vor, sich auf
internationaler Ebene für eine Ende des Kriegs in Syrien einzusetzen.
Es sind Aufgaben von Merkel für Merkel. Die Kanzlerin stand lange für
die Wahrung des Status Quo. Doch der ist uns abhanden gekommen. Nicht
durch das Zutun Merkels ist die Welt über uns hereingebrochen, aber
mit ihrem Zutun hat sie den unvermeidlichen Wandel, dessen Ausdruck
die Flüchtlingskrise und dessen Name Globalisierung ist, auch zu
einer deutschen Verantwortung gemacht. Dem setzt sie eine Vision
entgegen. Solange sich niemand findet, der eine bessere hat und
imstande ist, sie umzusetzen, ist sie die beste, die wir haben.
OTS: Mittelbayerische Zeitung newsroom: http://www.presseportal.de/nr/62544 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_62544.rss2
Pressekontakt: Mittelbayerische Zeitung Redaktion Telefon: +49 941 / 207 6023 nachrichten@mittelbayerische.de
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