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04.05.2014 21:14:58

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Ulrich Krökel zu Ukraine

Regensburg (ots) - Die westlichen OSZE-Beobachter sind frei. Das war am Wochenende die einzige gute Nachricht, die aus der Ukraine zu vermelden war. Die prorussischen Separatisten in Slawjansk ließen ihre Geiseln ohne sichtbare Gegenleistung ziehen. Der Rest war wieder Hass und Gewalt. Nicht unwahrscheinlich ist, dass beides in einem Zusammenhang steht. So zynisch es klingt: Die Geiselnahme hatte phasenweise für eine angespannte Ruhe in der Ostukraine gesorgt. Das aber konnte nicht im Interesse der Separatisten sein und erst recht nicht im Sinne des Kremls, der im Hintergrund die Fäden zieht. Das zentrale Nahziel der russischen Führung ist es, die für 25. Mai geplante Präsidentenwahl zu sabotieren, die dem Land im besten Fall Stabilisierung bringen könnte. Mit der Freilassung der OSZE-Beobachter hat Moskau zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zum einen kann sich der russische Präsident Wladimir Putin öffentlich als Geiselbefreier und Friedensengel präsentieren. Zum anderen wird in der Ostukraine nun wieder heftiger gekämpft - und das Chaos spielt allein Moskau in die Hände. Man mache sich nichts vor: Es war eine reine Schauveranstaltung, zu der Putin seinen Vertrauten Wladimir Lukin auf eine ach so heikle Mission nach Slawjansk schickte. In Wirklichkeit zeigte die "Befreiungsaktion", dass der Kreml die Separatisten steuert. Den letzten Beleg dafür lieferten abgehörte Telefongespräche der "Verhandlungspartner". Umso unverständlicher ist das Vorgehen der ukrainischen Interimsregierung, die ihrerseits unter entscheidendem Einfluss des Westens steht. Militär und Nationalgarde verstärkten am Wochenende noch einmal ihre sogenannte Anti-Terror-Aktion. Wer darin einen Sinn sucht, muss lange forschen, um fündig zu werden. Möglicherweise möchte die Zentralmacht verhindern, dass die Separatisten wie geplant am 11. Mai Referenden über die Abspaltung ihrer Regionen vom Rest der Ukraine abhalten können. Die Angst vor einem Krim-Szenario ist groß. Auf der Halbinsel folgte auf die Ausrufung der Unabhängigkeit und ein manipuliertes Referendum die sofortige Annexion durch Russland. Allerdings ist die Ostukraine nicht die Krim. Das weitläufige Gebiet zwischen Charkiw und Donezk bis hinüber in den Süden nach Odessa ist für Russland ohne massiven eigenen Truppeneinsatz nicht zu kontrollieren. Außerdem steht die Stimmung der Bevölkerung einem Anschluss an Moskau entgegen. In dieser Situation sind die Militäroperationen der Interimsregierung völlig kontraproduktiv. Mit jedem Tag, den die Offensive andauert, mindert sie die Hoffnung auf eine reguläre Wahl am 25. Mai. Es gilt das alte Bibelwort: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Hass und Gewalt provozieren Hass und Gewalt. Es entsteht eine Eskalationsspirale, die im schlimmsten Fall in den Bürgerkrieg führt. Was passieren kann, wenn es nicht gelingt, die Gewalt einzudämmen, zeigte der Hassausbruch im zuvor weitgehend friedlichen Odessa. Dort gingen am Freitag nationalistische ukrainische Fußball-Hooligans und prorussische Randalierer aufeinander los. Letztere verschanzten sich im Gewerkschaftshaus, das Feuer fing. Es starben Dutzende Menschen. Wer den Brand verursachte, ist offen. Die Polizei behauptet, die Hausbesetzer hätten das Feuer versehentlich selbst entfacht. Beweise blieb sie schuldig. Sicher ist aber, dass Odessa neuer Krisenherd ist. Besonders gefährlich daran ist, dass die Schwarzmeerstadt einen Katzensprung von der abtrünnigen moldauischen Region Transnistrien entfernt ist, in der russische Truppen stationiert sind. Über dem Osten und Süden der Ukraine schwebt das Damoklesschwert einer russischen Militärinvasion. Es ist deshalb höchste Zeit, dass die Verantwortlichen in Kiew, Berlin, Brüssel und Washington eine Anti-Krisen-Strategie entwickeln, die diesen Namen verdient.

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