18.03.2018 22:03:42

Neue Westfälische (Bielefeld): Russlands Putin und der Westen Diplomatische Eiszeit Jochen Wittmann, London

Bielefeld (ots) - Die Eskalationsschraube dreht sich weiter. Kurz bevor die Russen sich vor den Wahllokalen anstellen, um ihrem Präsidenten eine neue Amtszeit zu bescheren, weist Wladimir Putin 23 britische Diplomaten aus und verfügt die Schließung des Kulturinstituts "British Council". Der britische Außenminister Boris Johnson gießt seinerseits Öl ins Feuer. In einem Beitrag für die Sun on Sunday nennt er die Maßnahmen "sinnlos". Russland "stehe allein und isoliert da". Der Unterschied zwischen Großbritannien und Putin sei: "Wir haben Freunde und er nicht." Der Fall des vergifteten russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal hat geopolitische Dimensionen erreicht. Großbritannien zeigt mit dem Finger auf den Kreml, und der Westen unterstützt die britische Position. Die NATO, die EU-Partner und die USA teilen die britische Einschätzung, dass Russland die Verantwortung für den Anschlag trägt. Entweder sei der Mordversuch staatlich sanktioniert gewesen oder Russland habe die Kontrolle über den Nervenkampfstoff Nowitschok verloren und sei Schuld, dass er in die Hände anderer Akteure gelangt sei. Die Wahl der Waffe ist der eigentliche Affront. Der erste Einsatz einer Chemiewaffe in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ist ein Vorfall, bei dem keiner mehr wegschauen kann. Russland hat auch vorher schon auf britischem Boden missliebige Exil-Russen umgebracht. Der Fall Alexander Litwinenko lässt grüßen. Zur Zeit werden vom Innenministerium 14 weitere mysteriöse Todesfälle untersucht. Und die Anti-Terror-Polizei ermittelt jetzt auch im Mordfall Nikolai Gluschkow - ein in London getöteter Geschäftsmann. Hatte man vorher manches ignoriert, geht das jetzt nicht mehr. Denn der Einsatz eines Nervenkampfstoffes wie Nowitschok ist ein Paradigmenwechsel. Es ist eine Provokation von neuer Qualität: Seht her, scheint Russland demonstrieren zu wollen, was wir mit Verrätern anstellen können, und es schert uns keinen Deut, wenn die Spur zurück nach Moskau führt. Sollte das wirklich so sein, ist der gesamte Westen herausgefordert. Der Anschlag ist auf britischem Boden verübt worden, sagte Premierministerin Theresa May, aber er hätte jeden von uns treffen können. Jetzt, wo man es weitere sechs Jahre mit einem Putin-Russland zu tun hat, wird eine Kurskorrektur gefordert. Die britische Regierung arbeitet daran, einen kollektiven Sanktionsschritt des Westens zu organisieren. Es sieht danach aus, als werde der Fall Skripal zu einem Wendepunkt in den Beziehungen zwischen dem Westen und Putins Russland.

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