18.06.2015 22:32:38
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Neue Westfälische (Bielefeld): Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus Rot-Grün im Vatikan Julius Müller-Meiningen, Rom
Bielefeld (ots) - Man kann über die katholische Kirche denken, wie
man will. Unzweifelhaft ist, dass Papst Franziskus der katholischen
Kirche mit ihren 1,2 Milliarden Mitgliedern seit seinem Amtsantritt
vor gut zwei Jahren so viel Gehör wie lange nicht verschafft. Das
liegt vor allem an der so greifbar wirkenden Persönlichkeit Jorge
Mario Bergoglios, die sich in den meisten Fällen aufs Beste mit den
Mechanismen des digitalen Zeitalters ergänzt, weil es die
Unmittelbarkeit seines Auftretens bis in den hintersten Winkel der
Welt fassbar macht. Mit seiner Enzyklika "Laudato si'" über die
menschliche Verantwortung für Umweltzerstörung und Umweltschutz zeigt
der 78 Jahre alte Papst aus Argentinien erneut Gespür für den Puls
der Zeit. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung und die Relevanz für
Lebensfragen der Menschen sind entscheidend dafür, wieviele Zuhörer
über die Grenzen des Katholizismus hinaus der Papst mit seinen
Verlautbarungen für sich gewinnt. Mit "Laudato si'" hat Franziskus im
Jahr 2015 deshalb ins Schwarze getroffen. Wenn es ein Thema gibt, das
alle Menschen und eben nicht nur Katholiken gleichermaßen betrifft,
dann ist es der Klimawandel mit seinen dramatischen Folgen. Auch
Johannes Paul II. und Benedikt XVI. warnten bereits vor
Umweltzerstörung. Dass Franziskus als Oberhaupt der katholischen
Kirche diesem Thema erstmals eine ganze Abhandlung widmet und sie ins
Zentrum seines Denkens stellt, zeigt, dass die katholische Kirche in
den entscheidenden Menschheitsfragen ein gewichtiges Wort mitreden
will und kann. Es wäre allerdings stark verkürzt, Franziskus nun
schlicht als grünen Papst abzustempeln, der eben auch die Gefahren
des Treibhauseffekts mit allen Folgen erkannt hat. Seine detaillierte
Analyse der Umweltzerstörung samt Lösungsvorschlägen ist für ihn nur
der Ausgangspunkt für eine verheerende Kapitalismuskritik mit dem
berechtigten Hinweis, dass vom Raubbau an der Erde nur einige Wenige
profitieren, die Ärmsten durch ihn aber noch ärmer werden. Blinder
Fortschrittsglaube, Konsumismus und die ungezügelte Macht der
Hochfinanz sind die eigentlichen Sorgenkinder dieses Papstes, der,
will man in der politischen Farbenlehre bleiben, mindestens so rot
schreibt wie grün. So verletzt Bergoglio auch ein Sakrileg des
wachstumshörigen Mainstream-Denkens, wenn er fordert, dass in Teilen
der reichen Welt eine Rezession zu akzeptieren sei, um anderswo
Aufschwung zu ermöglichen. Diese Kombination von radikaler Umwelt-,
Sozial-, und Wirtschaftspolitik im Zusammenhang mit der katholischen
Kirche mag im Westen für Verwunderung sorgen. In der Kirche
Lateinamerikas, der Heimat Bergoglios, ist sie aber schon seit dem
Bischofs-Treffen von Puebla 1979 Konsens. Franziskus wäre aber nicht
Franziskus, wenn er letztlich nicht auch die rot-grüne Fraktion
seiner Bewunderer vor den Kopf stoßen würde mit der Forderung nach
einer integralen Ökologie, die auch den Menschen selbst umfasst. Die
Verteidigung der Natur sei nicht mit der Tötung von Embryos, also mit
Abtreibung vereinbar, schreibt er. Franziskus geißelt auch die
Gender-Theorie mit ihrem Versuch, den "Unterschied zwischen den
Geschlechtern auszulöschen" als Anmaßung über die Schöpfung. Der
streng konservative Aspekt im Denken des Papstes aus Argentinien wird
aus ideologischen Gründen gerne ignoriert. Er ist aber ebenso Teil
einer nach herkömmlichen Kriterien nur schwer dechiffrierbaren
Persönlichkeit.
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