20.07.2019 17:17:42

NRZ: Geschichte des Widerstands nicht den Falschen überlassen - von MANFRED LACHNIET

Essen (ots) - Wie hätte ich mich in der NS-Zeit verhalten? Wäre ich ein Mitläufer geworden, oder hätte ich mich gegen das Terrorregime gewehrt? - Wohl jeder hat sich diese Fragen schon einmal gestellt, und wohl nur die wenigsten bescheinigen sich dabei großen Mut. Die Männer, die vor 75 Jahren Adolf Hitler mit einer Bombe in die Luft jagen wollten, bezahlten ihre Tapferkeit mit dem Leben. Und auch wenn die Männer um Stauffenberg sicher keine Demokraten waren, gebührt ihrer Tat Respekt. Denn wäre Hitler getötet worden, hätte dies vermutlich Millionen Opfer weniger bedeutet. Dass über die Motive Stauffenbergs gerade viel diskutiert wird, ist historisch betrachtet sicher aufschlussreich. Dass jedoch am heutigen 20.Juli in Halle an der Saale Rechtsradikale das Gedenken an das gescheiterte Attentat für sich vereinnahmen wollten, ist einfach nur widerlich. Sie unterschlagen damit, dass der Widerstand gegen die Nazis nicht allein bei den Offizieren lag, sondern viel breiter und größer war. Christen, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Kommunisten, Liberale, die jungen Leuten von den Edelweißpiraten und jede Menge unerschrockener Bürger: Sie alle wollten nicht einfach hinnehmen, dass die Nationalsozialisten unterdrückten, logen, raubten und mordeten. Ihnen allen muss am heutigen 20. Juli gedankt werden. Denn ihrem Mut und Engagement ist es zu verdanken, dass Deutschland nach dem verheerenden Krieg zumindest auf einem kleinen eigenen Fundament demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen aufbauen konnte. Viele Ältere wissen das. Doch in unseren Schulen wird dieser Zusammenhang zwischen Widerstand in barbarischer Zeit und demokratischem Neubeginn meist nur am Rande oder gar nicht behandelt. Das ist nicht in Ordnung, denn die Frage "Wie hätte ich mich verhalten?" Ist gerade für junge Menschen ein Anlass, mehr über die Entstehung der Nazi-Zeit zu erfahren. Es ist kein gutes Zeichen, wenn nun die Falschen die Deutung der Gewaltherrschaft für sich reklamieren.

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