20.01.2015 20:00:54
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Börsen-Zeitung: Abschied vom starren Ziel, Kommentar zur
konjunkturellen Entwicklung in China von Norbert Hellmann
Frankfurt (ots) - Mit 7,4% Wachstum ist die einem anhaltenden
Schwungverlust ausgesetzte chinesische Wirtschaft noch ganz gut über
die Runden gekommen. Das offizielle Wachstumsziel von 7,5% wurde nur
knapp verfehlt. Im Spannungsfeld zwischen schmerzhaften, aber
unverzichtbaren strukturellen Reformen und der Wahrung eines
Wachstumstempos, das als notwendig erachtet wird, um der riesigen
Bevölkerung anhaltende Einkommensfortschritte und eine stabile
Beschäftigungslage zu sichern, bleibt die Balance vorerst gewahrt.
Das staatsgelenkte Wirtschaftssystem ächzt, aber es wankt nicht.
Auf dem Papier sind 7,4% nominelles Wachstum des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) der schwächste Jahresausweis seit 1990,
als sich das Reich der Mitte in einer totalen Umbruchphase befand,
der sich ein zwei Jahrzehnte währendes Wirtschaftswunder anschloss.
Chinas Wachstumsmodell ist wenn schon nicht einer Zerreißprobe, so
aber doch einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt. Das Gros der
Ökonomen geht davon aus, dass die Dynamik der Wachstumsraten der
weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft in den kommenden Jahren
unaufhaltsam sinken wird.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob Peking dies als
natürlichen Anpassungsprozess auf dem Weg zu einem nachhaltigeren
Wirtschaftsmodell hinzunehmen bereit ist - oder aber immer
verzweifelter mit künstlichen Belebungsoffensiven, die in der
Vergangenheit schwere Verwerfungen von Verschuldungsexzessen bis zu
Vermögenspreisblasen nach sich gezogen haben, dagegenhält.
Nach wie vor orientiert sich die chinesische Regierung an einem
offiziellen Wachstumsziel, dessen Einhaltung immer problematischer
wird. Wird das ausgegebene Wachstumsziel zu hoch angesetzt, gerät man
unter Stimulierungsdruck, um dem Gesichtsverlust einer groben
Zielverfehlung zu entgehen. Eine niedrige Orientierungsmarke wiederum
wirkt defätistisch und wird als Gefahr gesehen, eine sich selbst
erfüllende Prophezeiung zu schaffen.
Peking würde gut daran tun, für das laufende Jahr ein flexibleres
Ziel auszurufen, etwa in einem Korridor zwischen 6,5 und 7,0%. Dies
steht im Einklang mit den gegenwärtigen Prognosen der Analysten der
führenden Investmentbanken und des Internationalen Währungsfonds und
wäre ein erster Ansatz, sich von der Fixierung auf nominelle
Wachstumsraten zu lösen. Deren bloße Erfüllung gibt längst keinen
guten Indikator mehr für das Meistern der Herausforderungen im Reich
der Mitte ab.
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