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22.07.2016 20:46:39

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Börsen-Zeitung: In fragwürdiger Sorglosigkeit, Marktkommentar von

Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots) - Egal wohin man am Freitag schaute: Sowohl an den

Aktien- als auch an den Zins-, Devisen- und den Rohstoffmärkten

herrschte eine fast einschläfernde Ruhe; nennenswerte Veränderungen

waren kaum festzustellen. Eine Entwicklung war jedoch sehr

bemerkenswert. Der Volatilitätsindex VDax New, der anhand von

Optionen erwartete Marktschwankungen misst und damit wie ein

Seismograf für Gelassenheit (niedrige Werte) bzw. Nervosität

funktioniert, sank bis auf 17,73 und damit auf ein Jahrestief und auf

den niedrigsten Stand seit August 2015. Am 16. Juni hatte der Index

noch ein Jahreshoch von 39,23 erreicht.

War da nichts? Haben nicht gerade die Briten für den EU-Ausstieg

votiert, mit all den negativen Konsequenzen, die das nicht nur für

die britische Wirtschaft haben wird? Ist die Türkei nicht gerade im

Begriff, sich in eine sehr bedenkliche Richtung zu entwickeln, auch

dies mit potenziell erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen nicht

nur in dem Land? Und hat Donald Trump etwa schon irgendetwas gesagt,

das darauf schließen ließe, dass sich die weltweit führende

Wirtschaftsnation im Falle seines Wahlsiegs vielleicht doch nicht

ganz so abträglich entwickeln wird, wie es seine Kampfrhetorik

vermuten lassen könnte? Anders gefragt: Wie kann es sein, dass die

Marktteilnehmer in diesem sehr unsicheren Umfeld so sorglos scheinen

und der amerikanische Aktienmarkt jetzt sogar wieder auf historische

Höchststände durchgebrochen ist?

Notenbanken als Treiber

Eine Erklärung ist, dass sich die Sorgen über die US-Wirtschaft,

die durch einen deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibenden

Arbeitsmarktbericht geschürt worden waren, sich durch den deutlich

robuster als erwartet ausgefallenen Bericht über Juni wieder gelegt

haben. Gleichzeitig bedeutet das Brexit-Votum zwar

realwirtschaftliche Risiken. Es sorgt aber dafür, dass den

Aktienmärkten ihr seit Jahren wichtigster Treibstoff - Liquidität und

niedrige Zinsen - nicht ausgeht. Die Europäische Zentralbank und die

Bank of Japan, so die feste Überzeugung der Marktteilnehmer, werden

noch weitere Lockerungsmaßnahmen beschließen.

Die Bank of England, die einst als erste große Zentralbank galt,

die eine Leitzinserhöhung beschließen wird, dürfte auf absehbare Zeit

nicht einmal im Traum daran denken, sondern sehr wahrscheinlich sogar

mit einer Senkung aufwarten. Die Investmentbank Morgan Stanley glaubt

nun, dass die US-Zentralbank Fed bis Ende 2017 stillhalten wird, und

prognostiziert, dass amerikanische Staatsanleihen mit zehnjähriger

Laufzeit im kommenden Jahr auf ein Rekordtief von 1% fallen werden.

Marktteilnehmern wird daher angesichts eines immer größeren

Anteils negative Verzinsungen aufweisender Staatsanleihen vielfach

nichts anderes übrig bleiben, als zu Risiko-Assets wie

Dividendentiteln und Credits zu greifen. Im Euroraum kommt jetzt

hinzu, dass die Notenbank nun auch noch den Credit-Pool leer zu

fischen hilft. Relativ gute Bewertungen oder ein Mangel an

Alternativen, in den USA zudem die umfangreichen Aktienrückkäufe der

Unternehmen sind aber letztlich keine nachhaltig solide Basis für den

Aktienmarkt. Das ist nach wie vor die Entwicklung der

Unternehmensgewinne.

Anspruchsvolle Bewertung

Aus ebendiesem Grund ist die derzeit am Markt grassierende

Sorglosigkeit zu hinterfragen. Wie sich insbesondere der Brexit

auswirken wird, ist derzeit nur ungefähr vorstellbar. Die Risiken für

Konjunktur und Gewinne sind aber insgesamt gesehen auf jeden Fall

abwärtsgerichtet, das ohnehin magere Wachstum von Wirtschaft und

Gewinnen wird ein Stückchen weiter reduziert. Schon vor dem

Brexit-Votum wurden die Erwartungen für das globale Wachstum Zug um

Zug reduziert, und dieser Trend wird wohl so schnell nicht abreißen.

Vor diesem Hintergrund werden die Erwartungen an die

Unternehmensgewinne noch zurückzuschrauben sein. Hinzu kommt, dass

die Bewertung des amerikanischen Aktienmarktes sehr anspruchsvoll

geworden ist. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 notiert der

US-Markt fast 20% über seiner mittleren historischen Bewertung, so

die DZ Bank.

Die Kombination aus hoher Bewertung des US-Markts, einem nur

bescheidenen Wachstum, damit verbundenen drohenden Enttäuschungen von

Markterwartungen sowie konjunkturellen und politischen Risiken deutet

auf Korrekturanfälligkeit der Aktienmärkte hin und dürfte zumindest

das Aufwärtspotenzial für die kommenden Monate begrenzen. Ein Index

verfügt aber mit ziemlich großer Sicherheit über Aufwärtspotenzial:

der VDax New.

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