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26.11.2016 11:41:40

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Börsen-Zeitung: Italienisches Roulette, Marktkommentar von Kai

Johannsen

Frankfurt (ots) - Eigentlich ist es nur ein Referendum über eine

Verfassungsänderung. Eigentlich betrifft sie auch nur Italien und

sonst keinen. Und eigentlich ist die Verfassungsänderung, über die

die Italiener abstimmen, gar nicht mal so blöd. Ja, wenn da nur nicht

dieses "eigentlich" wäre - wie so oft im Leben. Am 4. Dezember

stimmen die Italiener über eine Änderung der Verfassung ab, bei der

es um Folgendes geht. Die beiden Kammern des italienischen Parlaments

- Abgeordnetenhaus und Senat sollen - anders als bisher - nicht mehr

vollkommen gleichberechtigt sein, sondern die Gesetze müssten künftig

nur noch das Abgeordnetenhaus passieren. Eine Änderung, die die

Volkswirte der Commerzbank, die sich ausgiebig mit diesem Thema

auseinandergesetzt haben, als eine Entwicklung hin zu einem

effizienten parlamentarischen Entscheidungsprozess einstufen. Die

Begründung liefern sie ebenfalls gleich mit: Mit dieser Änderung

entfiele das häufig langwierige Hin- und Herschicken der Gesetze

zwischen den beiden Kammern, bei dem schon viele Reformen verwässert

oder ganz verhindert worden sind. Denn es ist genau diese Entwicklung

in Italien, die nicht nur bei der Staatsschuldenkrise auf

europäischer Politikbühne schon so manches Mal dafür gesorgt hat,

dass Missfallen ausgedrückt wurde.

Bedeutsam ist das Referendum aber deshalb, weil Ministerpräsident

Matteo Renzi sein politisches Schicksal an diese Verfassungsänderung

geknüpft hat. Stimmen die Italiener nun mit Nein, und damit gegen das

Herzstück von Renzis Reformen, wie er es selbst nennt, wäre er

geschwächt und der Rücktritt wäre wohl die sichere Folge. Stimmen sie

mit Ja, geht die Verfassungsänderung durch, und er bleibt im Amt.

Nach den Erfahrungen des Brexit, der die Märkte erst einmal kräftig

durcheinandergewirbelt hat, und dem überraschenden Erfolg von Donald

Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen nun also das Renzi-Referendum

mit offenem Ausgang und damit auch mit Gefahrenpotenzial für die

Märkte. Die Commerzbank-Volkswirte sprechen in diesem Zusammenhang

völlig zu Recht vom "italienischen Roulette". Genau das ist es für

die Märkte, und das Thema wirft an den Finanzmärkten seine Schatten

voraus.

Was sind die Marktszenarien, die abzuleiten sind? Die Italiener

stimmen mit "Si": Der Schrecken wäre gebannt. Die Renditen der

italienischen Staatsanleihen sind in der jüngeren Vergangenheit

gestiegen, und zwar wegen der Sorgen um dieses Referendum. Aber eben

nicht nur wegen des Referendums, da sollte man sich nichts vormachen.

Nach Trumps Wahlerfolg stiegen die Renditen der Anleihen aus der

Eurozone insgesamt wegen der Aussicht auf eine enorme

Konjunkturstimulierung, damit einhergehenden Erwartungen einer

höheren Inflation sowie infolgedessen auf längere Sicht auch höhere

Leitzinsen. Darauf ist ein erheblicher Teil des Weges hin zu höheren

Bondrenditen zurückzuführen. Kommt es also zu einem Ja, ist mit sehr

großer Wahrscheinlichkeit mit einer Erleichterungsreaktion an den

Märkten zu rechnen: Aktien rauf, Renditen runter, Euro gestärkt, weil

Euro-Gefahren gesunken sind. Aber auch mit einem "Si" bleiben

Italiens Probleme erst einmal bestehen - hohe Schulden und Banken mit

notleidenden Krediten, um nur zwei zu nennen.

Es knallt so richtig

Stimmen die Italiener mit "No", dann knallt es beim italienischen

Roulette und aller Voraussicht nach auch an den Märkten kräftig.

Renzis Herzstück der Reform wäre hin, er selbst geschwächt, und er

könnte wegen des Glaubwürdigkeitsverlustes wohl kaum im Amt bleiben.

Neuwahlen sind zu erwarten und genau da liegt der Hase im Pfeffer:

Die Anti-Establishment-Stimmen der eurokritischen

Fünf-Sterne-Bewegung um Beppe Grillo könnten regen Zulauf erhalten.

Ein weiteres Mal würde sich Volkes Stimme gegen die etablierten

Parteien richten. Genau das fürchten viele - nicht nur an den

Finanzmärkten. Heftige Reaktionen an Märkten wären die Folge: Aktien

runter, vor allem Bankentitel würden noch mehr abgestraft; Renditen

der Anleihen rauf und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu knapp,

Spreads zu Bundesanleihen weiten sich aus. Der Euro kommt der Parität

zum Dollar einen gewaltigen Schritt näher. Denn die

Fünf-Sterne-Bewegung hatte auch mal mit der Forderung nach einem

"Italexit" - also Referendum über einen EU-Ausstieg von Italien - von

sich reden gemacht. Zuletzt waren sie aber gemäßigter.

Sollte das "No" Realität werden, ist sicherlich auch die

Europäische Zentralbank gefordert. Eines ist dann klar, sie wird wohl

an den Märkten eingreifen, das hat sie in der abgelaufenen Woche

schon signalisiert. Einer Verlängerung von QE dürfte dann kaum noch

etwas im Wege stehen. Und die Commerzbank-Volkswirte haben recht:

Staatsschuldenkrise 2.0 ist dann durchaus einzukalkulieren.

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