22.01.2015 19:04:47

OTS: Westdeutsche Allgemeine Zeitung / WAZ: Das Primat der Zentralbank - ...

WAZ: Das Primat der Zentralbank - Kommentar von Stefan Schulte zum

Anleihenkauf der EZB

Essen (ots) - Das Primat der Politik über die Finanzmärkte riefen

sie aus, als 2009 die Krise über Europa hereinbrach. Die Regierungen

mussten Banken retten und Schutzschirme aufspannen, um

zusammenzuhalten, was von den Euro-Vätern allzu sorglos

zusammengeschustert worden war - die Währungsunion. Sechs Jahre

später hat die Politik ihr Primat an die Europäische Zentralbank

abgegeben.

Mit dem Entschluss, für Abermilliarden Schuldscheine der Staaten

aufzukaufen, hat die EZB endgültig das Zepter übernommen. Sie

begreift sich als letzte handlungsfähige Kraft, die der Krise Herr

werden kann.

Ob ihr das gelingt, lässt sich trefflich bezweifeln, dass die

Vergemeinschaftung der Staatsschulden das größte Tabu der

Gemeinschaftswährung bricht, beklagen. Doch verdeckt jede noch so

berechtigte Kritik an der EZB, dass es nur so weit kommen konnte,

weil die Politik mit der Wirtschafts-, und Schuldenkrise so heillos

überfordert ist.

Der Geburtsfehler des Euro lähmt die Politik bis heute. Seine

Väter, allen voran Helmut Kohl, haben alle Warnungen weggewischt,

Länder in die Währungsunion zu holen, die dafür nicht reif waren. Das

kann funktionieren, wenn darüber eine echte politische Union wacht

wie in den USA. Die Staaten in Europa teilen sich die Währung,

verbitten sich aber jede Einmischung in die nationale

Wirtschaftspolitik. Es reihte sich Fehler an Fehler: Ausgerechnet die

rot-grüne Regierung Schröder gab den Südeuropäern ein Vorbild zum

Schuldenmachen, indem sie selbst den Stabilitätspakt brach. Also

schnappte die Schuldenfalle zu.

Dass Europas Wirtschaft anno 2015 noch immer nicht in Gang kommt,

ist ebenfalls kein Versäumnis der EZB, sie hat ihren Leitzins bereits

abgeschafft und damit das Geld so billig gemacht wie es nur geht.

Mehr als das hätte es beherztere Reformen im Süden und dafür mehr

Unterstützung aus dem Norden gebraucht. Doch die Hilfe auch aus

Deutschland, etwa im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, blieb

halbherzig. Dass nun die EZB über Europa regiert, darf beklagen, wer

mag - nur bitte nicht jene Politiker, die es dazu kommen ließen.

OTS: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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