14.08.2022 16:11:38
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ROUNDUP: Forderungen nach Entlastung wirklich Bedürftiger werden lauter
BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts der hohen Inflation werden die Rufe nach einer Konzentration staatlicher Entlastungsmaßnahmen auf die wirklich Bedürftigen in Deutschland lauter. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte zwar am Samstag in seiner wöchentlichen Videobotschaft "Kanzler kompakt", dass die Ampel-Koalition gerade diesen Gruppen helfen wolle, trotz stark steigender Energie- und Lebensmittelpreise gut durch den Winter zu kommen. Verbände und Opposition meldeten aber Zweifel an - nicht zuletzt wegen der Steuerentlastungsvorschläge von Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Dieser verteidigte am Sonntag jedoch seine Pläne. Auf der einen Seite gebe es die Bedürftigen, für die viel Geld mobilisiert werde, auf der anderen Seite die "Mitte der Gesellschaft", sagte der FDP-Chef im ZDF-"Sommerinterview". Das mittlere Jahreseinkommen liege bei 43 000 Euro. "Und die Leute, die 30 000, 40 000, 50 000 Euro verdienen, das sind nicht die Topverdiener." Sie würden im kommenden Jahr aber belastet, wenn der Staat jetzt nichts tun würde. "Ich schlage nichts anderes vor als einen steuerlichen Schutz vor Inflation."
Dagegen nannte der Sozialverband Deutschland (SoVD) die Pläne einen "Schlag ins Gesicht für Rentnerinnen und Rentner, Geringverdienende sowie viele andere Menschen". SoVD-Präsident Adolf Bauer forderte: "Es muss dringend und in erster Linie Entlastungen für die unteren und mittleren Einkommen geben." Er sei sprachlos, wenn Lindner ein Paket, bei dem 70 Prozent der Entlastungen den 30 Prozent mit dem höchsten Einkommen zu Gute kämen, für sozial ausgewogen halte.
Scholz versprach erneut weitere Entlastungen. "Entlastungen, die gerade denen helfen, die rechnen müssen, die keine Rücklagen haben und die trotzdem eine gute Zeit in der Zukunft brauchen, wenn es für uns alle zusammen etwas schwieriger wird."
Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) warf der Bundesregierung hingegen vor, Menschen mit geringen Einkommen zu übersehen. "Die, die wenig verdienen und dementsprechend auch in geringem Umfang Steuern zahlen, sind aus fast allen Entlastungen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat und nach den bisher bekannten Aussagen noch bringen möchte, rausgefallen", sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) begrüßte zwar die vom Bundesfinanzminister angestrebte Beseitigung der kalten Progression. "Ich glaube aber, dass das nicht ausreicht", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Deshalb muss die Bundesregierung die Menschen mit niedrigem Haushaltseinkommen ganz besonders in den Blick nehmen und im wahrsten Sinne des Wortes hilfsbereit bleiben."
Dies forderte auch Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil: "Meine klare Erwartung ist, dass die Bundesregierung diesen Menschen hilft, gut durch Herbst und Winter zu kommen", sagte der SPD-Politiker der "Welt am Sonntag". Ein Zaudern des Staates wäre sozialer Sprengstoff.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch schlug ein staatliches "Wintergeld" für kleine und mittlere Einkommen vor: "1500 Euro pro Haushalt plus 600 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied", sagte er der "Rheinischen Post" (Samstag). "Zur Finanzierung schlagen wir die Einführung einer Übergewinnsteuer und den Einstieg in eine große Steuerreform vor."
Finanzminister Lindner hofft auch auf die Unterstützung der Industriegewerkschaften IG Metall und IG BCE. "Denn die große Zahl ihrer Mitglieder wäre von den heimlichen Steuererhöhungen betroffen, wenn das Steuersystem nicht an die Inflation angepasst wird." Die Ergebnisse der Tarifrunde könnten von höheren Steuerzahlungen konterkariert werden, wenn die Politik nicht handele. "Nichtstun wäre unfair gerade gegenüber der arbeitenden Mitte dieses Landes."
Offen bleibt, wie ein weiteres Entlastungspaket finanziert werden könnte. Lindner lehnte im ZDF ein Abweichen von der Schuldenbremse im kommenden Jahr strikt ab. "Die Schuldenbremse ist ein Gebot unserer Verfassung." Er könne nicht einfach nach Belieben Ausnahmen davon machen. Außerdem gelte: "Inflation bedeutet, dass der Staat das Seine tun muss, um die Ursachen der Inflation zu bekämpfen. Das geht dadurch, dass er seine Ausgaben, seine Schulden reduziert."/sk/DP/he
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