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02.04.2022 17:51:39

Russen greifen mehr im Süden und Osten an - Hoffen auf Evakuierung in Mariupol

KIEW/MOSKAU (dpa-AFX) - In der sechsten Woche des Ukraine-Krieges ziehen sich die russischen Invasionstruppen vom nordwestlichen Rand der Hauptstadt Kiew zurück und verstärken ihre Angriffe im Osten und Süden des Landes. Es gebe Luftangriffe auf die Städte Mariupol und Charkiw, sagte der Präsidentenberater Olexij Arestowytsch am Samstag im ukrainischen Fernsehen. Auch die Stadt Tschernihiw nordöstlich von Kiew sei angegriffen worden.

Ukrainische Truppen setzten nach britischen Geheimdienstinformationen russischen Verbänden nach, die sich aus den nordwestlich von Kiew gelegenen Vorstädten Irpin, Bucha und Hostomel zurückzogen. Auch vom Frachtflughafen Hostomel, der seit Beginn des Krieges am 24. Februar umkämpft war, zogen sich die Invasionstruppen demnach zurück. Ukrainische Truppen hätten rund um Kiew mehr als 30 Dörfer zurückerobert, sagte Arestowytsch.

Der ukrainische Generalstab teilte mit, dass russische Truppen auch aus der Sperrzone um das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl und aus den angrenzenden Gebieten in Belarus zurückgezogen würden. Sie sollten augenscheinlich in das russische Gebiet Belgorod verlegt werden, um von dort aus nach Charkiw vorzustoßen. Mit Blick auf die Truppenbewegungen sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer neuen Videoansprache, er erwarte heftige Angriffe im Osten. "Russische Soldaten werden in den Donbass geholt. Genauso in Richtung Charkiw."

In der stark zerstörten und seit Wochen belagerten Stadt Mariupol hofften viele der schätzungsweise 100 000 verbliebenen Einwohner auf einen neuen Versuch des Roten Kreuzes, mit Bussen evakuiert zu werden. Ein Team von neun Helfern brach dazu in der Stadt Saporischschja auf, wie ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf mitteilte. Zur Rettung von etwa 500 Menschen sollen an diesem Sonntag zehn Busse eingesetzt werden, wie eine Bürgerinitiative im Nachrichtenkanal Telegram mitteilte. Parallel dazu war nach Angaben von Vize-Ministerpräsidentin Irina Wereschtschuk geplant, Menschen in Privatautos aus Mariupol herauszubringen. Ähnliche Fluchtkorridore sollte es in weiteren umkämpften Städten geben, darunter im westlich von Mariupol gelegenen Berdjansk.

Weiter nördlich, aus der Umgebung von Dnipro, wurden in der Nacht zum Samstag schwere Explosionen gemeldet, wie das Online-Portal "Ukrajinska Prawda" unter Berufung auf die Gebietsverwaltung berichtete. In der Nähe von Dnipro wurde nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums ein Militärflugplatz zerstört, ebenso wie ein weiterer bei Poltawa. Insgesamt seien innerhalb eines Tages 67 militärische Objekte zerstört worden, darunter auch Munitionslager, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Wie alle Berichte aus den Kampfzonen waren die Angaben nicht unabhängig überprüfbar. Trotz der Raketenangriffe - zum Teil von Flugzeugen aus - behauptet die ukrainische Luftwaffe nach eigenen Angaben die Kontrolle über den Luftraum.

Selenskyj rief die Bevölkerung im russisch besetzten Süden auf, keine Ämter für das Besatzungsregime anzunehmen. "Meine Botschaft an Sie ist einfach: Die Verantwortung für die Kollaboration ist unausweichlich", sagte der Präsident. Nach ukrainischen Angaben versucht Russland, in den besetzten Gebieten moskautreue Verwaltungen aufzubauen.

Parallel zu den Kämpfen liefen im Hintergrund auch weitere Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien. Zum Stand der Gespräche, die in der Regel per Videoschalte stattfinden, wurde aus den Delegationen nichts bekannt.

Während sich die polnische Regierung für eine weitere Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland aussprach, drohte Moskau mit einem Ende der Zusammenarbeit auf der Internationalen Raumstation ISS. Sollten die USA und andere westliche Staaten ihre Sanktionen gegen Russland nicht zurücknehmen, werde die Moskauer Führung in Kürze Fristen für ein Ende der Kooperation vorschlagen, teilte der Chef der Raumfahrtbehörde, Dmitri Rogosin, über Telegram mit.

Das US-Verteidigungsministerium will der Ukraine weitere Waffen im Wert von 300 Millionen Dollar (etwa 271 Millionen Euro) zukommen lassen. Unter anderem sollen Drohnen, Raketensysteme, gepanzerte Fahrzeuge, Munition, Nachtsichtgeräte, sichere Kommunikationssysteme, Maschinengewehre und medizinische Güter geliefert werden. Die USA haben der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskriegs Militärhilfen und Waffenlieferungen von 1,65 Milliarden Dollar zugesagt.

In Deutschland trafen nach Angaben der Bundespolizei innerhalb eines Tages rund 5300 weitere Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Damit stieg die Zahl der aufgenommenen Kriegsflüchtlinge auf nahezu 300 000, wie das Bundesinnenministerium auf Twitter mitteilte. Die meisten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine halten sich im Nachbarland Polen auf: mehr als 2,4 Millionen Menschen. Insgesamt sind schon mehr als vier Millionen Menschen aus der ehemaligen Sowjetrepublik geflohen - etwa ein Zehntel der bisherigen Bevölkerung.

Bei einem Besuch auf Malta verurteilte Papst Franziskus den Krieg in der Ukraine, vermied aber direkte Kritik an Russland. Das Oberhaupt der katholischen Kirche sprach von "einigen wenigen Mächtigen", die Konflikte schürten. Vor der Landung sprach Franziskus von einer möglichen Reise nach Kiew: "Das liegt auf dem Tisch."/mau/DP/nas

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