30.06.2022 21:57:38

Russland kündigt Rückzug von Schlangeninsel an

(neu: Putin zu Exporten, Lage um Lyssytschansk.)

KIEW (dpa-AFX) - Russland zieht nach eigenen Angaben seine Truppen von der im Ukraine-Krieg eroberten Schlangeninsel im Schwarzen Meer zurück. Damit solle gezeigt werden, dass Russland den Export von Getreide und landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine nicht behindere, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Donnerstag in Moskau. "Am 30. Juni haben die russischen Streitkräfte als Zeichen des guten Willens die ihnen zugewiesenen Aufgaben auf der Schlangeninsel abgeschlossen." Zuvor hatte die Ukraine einen Angriff auf die Insel gemeldet. Die Angaben waren nicht unabhängig zu prüfen.

Die Insel war kurz nach dem russischen Einmarsch im Nachbarland Ende Februar von der russischen Marine erobert worden. Die ukrainischen Streitkräfte flogen seitdem mehrfach Attacken mit Kampfdrohnen und Flugzeugen. Der Kreuzer "Moskwa" (Moskau) wurde nach ukrainischer Darstellung mit Raketen versenkt. Russland wird vorgeworfen, mit der Blockade von Häfen den Export von Getreide zu behindern. In einigen Weltregionen droht deshalb eine weitere Zuspitzung der Hungerkrise. Die Ukraine und Russland sind für etliche arme Länder vor allem in Afrika wichtigste Lieferanten von Getreide und Düngemittel.

Gerade erst sollen bei einem Angriff im Osten der Ukraine nach Behördenangaben 40 Tonnen Getreide vernichtet worden sein. In dem betroffenen Lagerhaus in der Stadt Selenodolsk sei ein Feuer ausgebrochen, schrieb der Gouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk im Nachrichtendienst Telegram. Er machte Russland dafür verantwortlich.

Der Kreml verortete die Schuld für die weltweit steigenden Lebensmittelpreise unterdessen einmal mehr bei westlichen Staaten und verwies auf Exportprobleme. Formal habe der Westen zwar keine Handelsbeschränkungen für russischen Dünger und Nahrungsmittel verhängt, "aber die Besitzer der Unternehmen, die Düngemittel herstellen, und sogar ihre Familienmitglieder sind unter die Sanktionen geraten", klagte Präsident Wladimir Putin in Moskau. Außerdem machten die ukrainischen Getreidelieferungen nur einen Bruchteil der weltweiten Exporte aus.

Kämpfe um Raffinerie westlich von Lyssytschansk

Die schweren Gefechte im Osten des Landes gehen derweil unvermindert weiter. Im Gebiet Luhansk sind die regierungstreuen Truppen in Lyssytschansk nach eigenen Angaben akut von einer Einschließung bedroht. Die knapp sieben Kilometer westlich der Stadt gelegene Raffinerie sei umkämpft, teilte der Generalstab in Kiew mit. Die im Süden stehenden russischen Truppen seien nach Norden vorgerückt. Auch an der westlichen und der südlichen Stadtgrenze werde bereits gekämpft. In russischen Medien wurde die Raffinerie schon als komplett erobert dargestellt. Lyssytschansk ist der letzte größere Ort in Luhansk unter ukrainischer Kontrolle.

Russland: Mehr als 6000 ukrainische Soldaten als Kriegsgefangene

Russland hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums inzwischen mehr als 6000 ukrainische Soldaten in Kriegsgefangenschaft genommen. Unabhängig überprüfen lassen sich auch solche Angaben nicht. Die Ukraine veröffentlicht keine Zahlen mehr zu Kriegsgefangenen. In der von russischen Truppen besetzten Kleinstadt Enerhodar im Südosten der Ukraine sollen zudem russische Pässe ausgegeben werden, wie Bürgermeister Dmytro Orlow im Nachrichtendienst Telegram mitteilte. Orlow hat die Stadt Ende April verlassen. Russische Besatzungstruppen hatten einen eigenen Bürgermeister eingesetzt.

Parlamentsabgeordneter in Ukraine überlebt Anschlag

Im Gebiet Cherson überlebte der ukrainische Parlamentsabgeordnete Olexij Kowaljow offenbar einen Anschlag. Der 33-Jährige wird in der Ukraine des Landesverrats und der Kollaboration mit Russland verdächtigt. Vergangene Woche hatte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdiensts erklärt, das Auto Kowaljows sei in die Luft gesprengt worden. "Ich lebe und bin gesund", sagte der Abgeordnete nun in einem Video, das die russische Staatsagentur Ria Nowosti veröffentlichte.

Offener Brief: Prominente fordern Waffenstillstand in der Ukraine

Deutsche Prominente forderten in einem neuen offenen Brief einen "Waffenstillstand jetzt!". In dem von der "Zeit" veröffentlichten Appell verlangten etwa der Philosoph Richard David Precht und die Schriftstellerin Juli Zeh einen "konzertierten Vorstoß" für Verhandlungen. Zudem stellten sie in Frage, ob Waffenlieferungen der richtige Weg seien. Der Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, antwortete, die Autoren sollten sich mit ihren "defätistischen "Ratschlägen" zum Teufel scheren"./gma/DP/men

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