16.11.2012 18:15:33
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UPDATE2: Weidmann deutet späteren griechischen Schuldenschnitt an
--Bundesbank-Präsident hält Frage derzeit für offen
--Weidmann warnt vor falschen Anreizen für andere Länder
--ESM-Chef Regling sieht Schuldenschnitt als große Ausnahme
(NEU: neu durchgeschrieben, Regling, Hintergrund )
Von Andreas Kißler
BERLIN--Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, hat die Möglichkeit eines Schuldenschnitts für Griechenland zu einem späteren Zeitpunkt angedeutet. Damit könnte der Reformwillen des Landes belohnt werden. Bei einer Konferenz in Berlin bezeichnete er die Frage eines Schuldenschnitts zum jetzigen Zeitpunkt offen.
Weidmann sagte, es gelte, die derzeitige Finanzierungslücke zu schließen und die Tragfähigkeit der öffentlichen Verschuldung wiederherzustellen, die momentan nicht gegeben sei. "Die Frage, ob daraus die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts heute erwächst, halte ich für offen", sagte er beim Führungstreffen Wirtschaft der Süddeutschen Zeitung.
Der Notenbankpräsident warf die Frage auf, ob es nicht sinnvoll wäre, einen für den Kapitalmarktzugang nötigen Schuldenschnitt im Gegenzug für Reformen in Aussicht zu stellen. "Der Schuldenschnitt löst ja die Probleme noch nicht", hob er hervor. Am Ende werde man aber einen Forderungsverzicht brauchen, um Griechenland wieder Zugang zu den Kapitalmärkten zu ermöglichen.
Zuvor hatte sich bereits der belgische Notenbankchef Luc Coene, der wie Weidmann Mitglied des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) ist, für einen Forderungsverzicht öffentlicher Gläubiger in Griechenland stark gemacht.
Einen solchen Schritt hatte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) ins Spiel gebracht, der gemeinsam mit der EZB und der EU-Kommission die so genannte Troika der Geldgeber für Griechenland bildet. Weidmann wollte auf Nachfrage nicht erklären, ob sich seine Bemerkung zum Schuldenschnitt auf öffentliche oder private Gläubiger bezieht.
Griechenland soll seine Verschuldung bis 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken, nachdem für nächstes Jahr noch 190 Prozent geplant sind. Jedoch wird angesichts der Rezession in dem Land erwartet, dass das Ziel 2020 deutlich verfehlt wird.
Erst jüngst hat sich auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble skeptisch hierzu geäußert. Dieses Ziel könnte zu ambitioniert sein, sagte er Anfang der Woche nach einem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel. Diese wollen sich am kommenden Dienstag erneut treffen, um darüber zu beraten, wie die derzeitige Finanzierungslücke in dem Problemstaat geschlossen werden kann.
Bundesbankpräsident Weidmann warnte am Freitag in Berlin andererseits ausdrücklich vor möglichen negativen Folgen eines Schuldenschnitts für die Reformbereitschaft in anderen Euro-Staaten. "Die Frage ist, was bedeutet ein Schuldenschnitt für alle anderen Programme", sagte er und fragte, mit welcher Sicherheit dann etwa die Regierungschefs in Portugal und Irland vor ihren Parlamenten weitere Reformen verlangen könnten, wenn Griechenland auch ohne die zugesagten Maßnahmen finanziert werde. "Wir wollen die Währungsunion auch als langfristige Stablitätsunion erhalten", betonte er.
Der Chef der Euro-Rettungsschirme ESM und EFSF, Klaus Regling, bezeichnete Griechenland als "Sonderfall", weshalb die privaten Gläubiger des Landes auch einen Schuldenschnitt von mehr als 50 Prozent hingenommen hätten. "Das kann ja nur eine ganz große Ausnahme sein", meinte der Direktor des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone lehnte Regling erneut ab. "Dann wird es richtig teuer für den deutschen Steuerzahler", warnte er.
Der ESM-Chef zeigte Verständnis für Proteste in den Ländern, in denen die Menschen schmerzhafte reale Einkommensverluste hinnehmen müssten. "Dass da die Bevölkerung nicht glücklich ist, ist logisch." Jedoch hätten auch Länder wie Indonesien, die Türkei und Brasilien ihre Überschuldung mit Anpassungsprogrammen überwunden, an denen die Menschen zunächst "verzweifelt" seien.
Weidmann warnte, den Fall Griechenland dürfe man nicht stellvertretend für andere Anpassungsprogramme nehmen. In Portugal und Irland sehe man, dass solche Programme auch funktionieren könnten. "Das sind erfolgreiche Umsetzungen mit einer gewissen Differenzierung", lobte der Bundesbank-Chef. "Das sind Belege dafür, dass der grundlegende Ansatz, Hilfe gegen Auflagen zu gewähren, funktionieren kann."
Auch ESM-Chef Regling konstatierte Fortschritte in Ländern wie Irland, das wieder Zugang zum Kapitalmarkt erlangt habe, und hielt über die Hälfte der nötigen Korrekturen für bewältigt. "Dieser Prozess muss weitergehen. Aber wenn ich mir die Daten anschaue, komme ich zu der Schlussfolgerung, dass mehr als die Hälfte erfolgt ist", sagte der Deutsche.
Weidmann betonte außerdem, dass die EZB sich mit ihrem Anleihekaufprogramm außerhalb ihres geldpolitischen Mandates befindet. "Ich glaube, dass wir uns nicht mehr im Kernbereich der Geldpolitik befinden und wir uns vor einer sehr wichtigen Weichenstellung befinden", sagte er. Er warnte, dieses Programm, gegen das er als einziger im EZB-Rat gestimmt hatte, könnte "kontraproduktiv" sein, weil es den Handlungsdruck für die Staaten verringere.
Der Bundesbankpräsident untermauerte seine Einschätzung, dass die demokratisch legitimierte Politik und nicht die Notenbank handeln müsse. "Wir setzen mit unserem Handeln den Rahmen für das Handeln der Politik." Der Euro-Rettungsschirm ESM sei in Kraft und solle gegebenenfalls benutzt werden. "Ich teile die Einschätzung nicht, dass die Notenbank die einzig handlungsfähige Institution ist", sagte Weidmann ausdrücklich. "Diese Einschätzung teile ich nicht, und ich finde sie auch als Notenbankchef und als Staatsbürger bedenklich." Eine neue Debatte über das Volumen des ESM bezeichnete Weidmann als "unnötig".
Weidmann bekräftigte seine Absicht, sich weiter im Amt für seine Überzeugungen einzusetzen. "Meine Überzeugung ist, dass ich im EZB-Rat und in der Bundesbank am besten dafür eintreten kann", sagte er. Rücktritte wie zum Beispiel der seines Amtsvorgängers Axel Weber oder der des ehemaligen EZB-Chefvolkswirts Jürgen Stark aus Protest gegen die Richtung der Zentralbankpolitik hätten "am Ende nicht viel bewirkt".
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@dowjones.com
- Mitarbeit: Harriet Torry
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November 16, 2012 11:45 ET (16:45 GMT)
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