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15.10.2015 22:42:38

Weser-Kurier: Leitartikel von Moritz Döbler über Flüchtlingspolitik

Bremen (ots) - Ausgerechnet das Bayernzelt soll nach dem Bremer Freimarkt stehen bleiben, um Flüchtlinge aufzunehmen. Das ist kein witzig gemeinter Gruß aus dem Norden an die CSU, sondern eine ernsthafte Überlegung. Aber sollen dort wirklich Hunderte von Menschen überwintern, mitten im Stadtzentrum, zwischen Glühweinausschank und Weihnachtskaufrausch? In Berlin ist es die Abkürzung Lageso, die zum Begriff für die Überforderung geworden ist. Vor dem "Landesamt für Gesundheit und Soziales" warten Tausende Flüchtlinge darauf, registriert zu werden. Einige kampieren in mitgebrachten Zelten. Ein vierjähriger Junge ist spurlos verschwunden. Lageso ist überall. Plötzlich erlangen kleinste Dörfer weltweite Bekanntheit. In Sumte in Niedersachsen sollen 1000 Flüchtlinge die Einwohnerzahl verzehnfachen. "Wir schaffen das" entpuppt sich als ein Versprechen, das sich mit bestehenden Strukturen nicht einlösen lässt. Bob der Baumeister ("Können wir das schaffen? - "Yo, wir schaffen das!") kriegt alles hin, aber die Kanzlerin wird von der Realität eingeholt. So ist es nicht zu schaffen. Richtig ist Angela Merkels Erkenntnis, dass sich Flüchtlinge nicht von Grenzen aufhalten lassen. Die Menschen kommen auf jeden Fall nach Deutschland, und die Zeit der Stacheldrähte ist in Europa vorbei. Die Flüchtlinge sind willkommen und sollen es sein. Aber es bedarf mehr Anstrengung, um Ordnung in das Chaos zu bringen. Die Kommunen müssen zum Beispiel unbürokratisch und befristet Menschen einstellen oder aus dem Ruhestand zurückholen können, um die Verwaltung zu verstärken. Und Prioritäten müssen sich ändern. Die Bremer Koalition aber verfolgt ihre Vorhaben weiter, als wäre nichts passiert. Gerade hat sie den lange geplanten Kauf neuer Straßenbahnen endgültig beschlossen. So nötig das ist, Bremen wird es sich jetzt erst recht nicht leisten können. Die neue Lage wird zu Verzicht führen müssen. Noch scheint das Ausmaß der Aufgabe vielen Verantwortlichen nicht bewusst zu sein. Die neuen Asylgesetze, die am Freitag den Bundesrat passieren sollen, verbessern den Rahmen, aber sie lösen die Probleme nicht.

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