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09.10.2015 20:27:39

Westdeutsche Zeitung: Friedensnobelpreis kommt zur rechten Zeit

Düsseldorf (ots) - Bisher hat sich Tunesien als einziges Land des arabischen Frühlings mit Erfolg dagegen gewehrt, dass die friedliche Revolution in Diktatur, Chaos oder Krieg endet. Aber stabil ist es noch lange nicht. Der jüngste Terroranschlag auf Touristen hat gezeigt, dass die radikalen Kräfte noch nicht aufgegeben haben. Die meisten ausländischen IS-Kämpfer kommen aus Tunesien und im Nachbarland Libyen machen sich Dschihadisten breit. Das verheißt nichts Gutes. In diesen Zeiten ist der Friedensnobelpreis für die vier Organisationen, die maßgeblichen Anteil an der Beruhigung der innenpolitischen Lage hatten, ein wichtiges Zeichen. Erstens wird die Weltöffentlichkeit darauf hingewiesen, welche wichtige Arbeit hier im Kampf gegen den weltweit vordringenden Islamismus geleistet wurde und wie fragil die Situation noch immer ist. Vielleicht hilft diese Entscheidung auch den Europäern auf die Sprünge. Sie müssen ihre Anstrengungen zur Stabilisierung der Region entschieden verstärken und Sarkozys Konzept der Mittelmeerunion neu beleben, das auch Deutschland ausgebremst hat. Tunesien, mit Abstrichen auch Marokko und Algerien, sind Anker, an die man ansetzen kann, ja muss. Mit massiver Wirtschaftshilfe, mit politischem und gesellschaftlichem Austausch, mit legalen Zugängen der Menschen auf europäische Bildungseinrichtungen und Arbeitsmärkte, auch mit Geld. Zweitens ist die Auszeichnung ein Signal, dass ein nationaler Aussöhnungsprozess letztlich nicht mit Waffengewalt erzwungen werden kann, sondern nur durch Gespräche. Das Beispiel kann auch für Afghanistan gelten, für Libyen und Ägypten. Irgendwann vielleicht sogar für Syrien. Das tunesische Quartett hat eine Blaupause dafür geliefert, wie selbst in einem islamisch dominierten Staat Demokratie möglich sein kann. Voraussetzung ist freilich Kompromissbereitschaft auf allen Seiten, der Säkularen wie der Religiösen, der Linken wie der Rechten, der Gewerkschaften wie der Arbeitgeber. Wenn alle Staaten in Nordafrika und Nahost so wären wie Tunesien, gäbe es den Flüchtlingsstrom nicht. Auch nicht, wenn der Westen früher aufmerksamer gewesen wäre und die Länder nach dem arabischen Frühling nicht so allein gelassen hätte. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in diesem Jahr ebenfalls als Preisträgerin vorgeschlagen war, war da übrigens auch nicht viel weitsichtiger als alle anderen in Europa.

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Pressekontakt: Westdeutsche Zeitung Nachrichtenredaktion Telefon: 0211/ 8382-2370 redaktion.nachrichten@wz.de www.wz.de

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