04.12.2016 23:33:56
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Österreich
Bielefeld (ots) - Und es gibt sie doch: die politische Vernunft.
Selbst in einem gespaltenen Land wie Österreich wird dem Populisten
Norbert Hofer am Ende der Kandidat der Grünen, Alexander Van der
Bellen, vorgezogen. Es war der dritte Anlauf zur Wahl eines
Bundespräsidenten. Er war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich und
erstmals ein Urnengang mit Bedenkzeit. Österreichs Bürger haben am
Ende des Jahres der Sicherheit den Vorzug gegeben. Die großen
Volksparteien SPÖ und ÖVP waren außen vor, das gab es in Österreich
nach der ersten Runde noch nie. Der zweite Wahlgang am 22. Mai mit
dem hauchdünnen Vorsprung für Van der Bellen durfte nicht gewertet
werden. Das System hatte technisch versagt. Das roch nach einer
Empfehlung für Hofer. Schließlich will seine FPÖ mit »denen da oben«
aufräumen und den Schlendrian der Behörden abschaffen. Gottlob lagen
die Experten mit dieser Vorhersage genauso falsch wie mit ihrer
Prognose des Endergebnisses. Das historisch wirklich einmalige an
dieser Wahl aber war, dass der dritte Anlauf den Wählern eine zweite
Chance gab, ihr Votum zu überdenken. Und das ist die gute Nachricht.
Bei aller Wut im Bauch auf Europa und Angela Merkels
Flüchtlingspolitik verschob sich zu guter letzt das Gewicht auf die
Seite derer, die sahen, was auf dem Spiel stand. Es muss an Donald
Trump gelegen haben. Nach dessen in Westeuropa als unmöglich
erachteten Sieg hat es genug Österreichern gedämmert: Hallodri und
Harakiri liegen verdammt nah beieinander. Ihr Land braucht keinen
Abklatsch des künftigen US-Präsidenten, der in der Riege der
Unberechenbaren irgendwo zwischen Wladimir Putin und Recep Tayyip
Erdogan irrlichtert. Vielleicht war es noch einfacher. Der Schmäh des
Norbert Hofer hat sich angesichts der Überangebots an Populisten auf
der weltpolitischen Bühne selbst disqualifiziert - als ein billiger
Abklatsch der ganz großen Hetzer. Das wäre eine noch bessere
Nachricht. Der Trend zum faktenfreien Wutausbruch wäre gestoppt,
vielleicht sogar schon umgelenkt. Für echte Siegesnachrichten war es
gestern Abend noch zu früh. Als der Durchbruch für Alexander Van der
Bellen um 17.15 Uhr bekannt wurde, waren Italiens Wahllokale noch
fast sechs Stunden geöffnet und ein Gesamtbild noch nicht möglich:
Aber: Italiens Europagegner hatten die Chance, zu einer allerletzten
kritischen Selbstprüfung. Nebenbei: Die doppelte Wahl im Abstand
einiger Monate mit denselben Kandidaten und immer gleichen Argumenten
bescherte Wahlforschern eines der größten demoskopischen Experimente
am offenen Wählerherzen. Wissenschaftler und Propheten dürften den
doppelten Urnengang mit Faszination beobachtet haben. Auch das ist
gut so, denn unsere Auguren müssen noch viel lernen.
OTS: Westfalen-Blatt newsroom: http://www.presseportal.de/nr/66306 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Chef vom Dienst Nachrichten Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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