17.09.2014 21:12:58
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Umbruch in Europa
Bielefeld (ots) - Geschichte wiederholt sich nicht. Dieser oft
zitierte Satz klingt in diesen konfliktreichen Zeiten wie eine
Ausrede, keine Lehren aus der Historie ziehen zu wollen. »Geschichte
wiederholt sich nicht, aber sie wiederholt ihre Lehren.« So lautet
das ganze Zitat, das Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker
zugeschrieben wird. Und wenn man den Satz komplett wiedergibt, taugt
er der Politik von heute als guter Rat. Vor 100 Jahren brach der
Erste Weltkrieg aus, vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg - und vor 25
Jahren fiel die Mauer und mit ihr der Eiserne Vorhang. Im Jahr der
Jubiläen gerät ein Ereignis in den Hintergrund: Heute vor 200 Jahren
begann der Wiener Kongress. Nach dem Fall Napoleons wollten die
europäischen Mächte die geopolitische und monarchische Ordnung
wiederherstellen. Was 1789 mit der Französischen Revolution begonnen
hatte, sollte 25 Jahre später enden und zum Teil auf den Stand vor
dem Sturm auf die Bastille zurückgeführt werden. Vor 25 Jahren begann
der schleichende Niedergang des Warschauer Pakts. Und wie vor 200
Jahren soll auch jetzt die Zeit zurückgedreht werden. Fast ein
Vierteljahrhundert nach dem Niedergang der Sowjetunion will Russland
zu alter imperialer Macht zurück. Weil Wladimir Putin sein
»Neurussland« ausruft und in der Ostukraine vermutlich unumkehrbare
Tatsachen schafft, müssen die USA und Europa auf diese Neuordnung
reagieren. Aber wie? Sie tun es mit einem Nato-Manöver in der Ukraine
und einer ebenso fragwürdigen Zeremonie für ein Assoziierungsabkommen
mit der ehemaligen Sowjetrepublik. Von beidem darf sich Russland
provoziert fühlen. Dabei wächst die Erkenntnis, dass EU und Nato als
Verlierer aus der Krise hervorgehen. Die Sanktionen mögen etwas
wirken, aber sie bringen Putin nicht dazu, seine Politik radikal zu
ändern. Stärkstes Zeichen westlicher Hilflosigkeit: Was nach dem
Absturz der MH17 in der Ukraine geschah, hätte so nie passieren
dürfen. Prorussische Separatisten hindern Ermittler am Betreten der
Absturzstelle und stehlen Wertgegenstände aus dem Wrack. Das ist ein
Schlag ins Gesicht aller Gutmeinenden. Bereits nach ersten Problemen
beim Zugang zum Trümmerfeld hätte der Westen - nach einem offiziellen
Hilferuf der Ukraine - die Absturzstelle militärisch sichern müssen.
Wenn es zu Schusswechseln mit prorussischen Milizen auf ukrainischem
Gebiet gekommen wäre, hätte man das aushalten müssen und gegenüber
Putin durchsetzen können. Wir leben in einer Zeitenwende, in der
Russland und den Westen mehr eint als trennt. Die weltweite Bedrohung
durch den islamistischen Terror erfordert gemeinsame Strategien. Und
ohne den Kreml kommt es in Syrien zu keiner Lösung. Putin mit
Manövern und Festakten zu reizen, ist wenig hilfreich. Sinnvoll wäre
ein Kongress, um über Europas Ordnung zu sprechen. Es muss ja nicht
in Wien sein.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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