FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Traum von fetten Renditen mit Bonds solider Mittelständler ist erst einmal ausgeträumt: Nach mehr als einem Dutzend Insolvenzen sind Mittelstandsanleihen gehörig in Verruf geraten. Dirk Schiereck, Professor für Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt, sieht durch die hohen Ausfallraten die Gefahr, dass das Finanzinstrument schon im frühen Stadium beerdigt werden könnte.

Tatsächlich haben die Wertpapiere in der Finanzkrise an Bedeutung gewonnen. "Das Segment der Mittelstandsanleihen ist in den vergangen Jahren stark gewachsen", schreibt die DZ Bank. Denn die Unternehmen versprechen saftige Renditen, während das Sparbuch kaum Zinsen abwirft, Zertifikate nach der Lehman-Pleite manchem sehr riskant erscheinen und vorsichtige Anleger in Deutschland um Aktien ohnehin einen großen Bogen machen. Da scheint es sehr attraktiv, Geld mit namhaften Firmen zu verdienen.

Doch nicht alle Unternehmen haben die Erwartungen der Kleinsparer erfüllt. Im Gegenteil: Nach Insolvenzen von Anbietern wie Centrosolar, dem Windpark-Entwickler Windreich oder zuletzt dem Designmode-Anbieter Strenesse müssen Anleger um ihre Ersparnisse fürchten. Im schlimmsten Fall ist das Geld bei einer Pleite des Unternehmens vollständig weg.

Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), spricht von einem "bösen Erwachen": "Es sind prominente Insolvenzen, bei denen Anleihegläubiger vor den Scherben ihrer Investments stehen." So habe sich zuletzt etwa das Windkraft-Unternehmen Prokon als Desaster für die Anleger entpuppt.

Neben der Aussicht auf satte Renditen dürfte auch der Begriff "Mittelstandsanleihen" weniger gut informierte Anleger getäuscht haben, meint Schiereck: "In Deutschland wird Mittelstand mit Solidität assoziiert. Aber nicht alle Emittenten sind typische Mittelständler wie etwa die Dürr AG."

DZ-Bank-Analyst Markus Rohleder wetterte schon vor Wochen: "Würde das Anleihesegment der Mittelstandsanleihen wirklich den deutschen Mittelstand repräsentieren, müsste man sich Sorgen machen." Manche Papiere seien viel spekulativer als der Name suggeriere. Das sollte Investoren in diesem Segment bewusst sein.

Denn von den 119 Anleihen im Gesamtvolumen von nominal rund 6,5 Milliarden Euro, die mittelständische Unternehmen zwischen März 2010 und Ende Januar 2014 emittiert hatten, seien nach 13 Pleiten 17 Bonds im Nominalwert von 910 Millionen Euro notleidend - seither kam das Strenesse-Papier noch dazu. Der Modehersteller hatte Mitte April Insolvenz angemeldet.

Mittelstandsanleihen sind Schuldverschreibungen von kleineren Unternehmen. Die Papiere verbriefen den Anspruch auf Tilgung und Verzinsung des geliehenen Kapitals. Dabei wenden sich die Bonds mit einer Stückelung von in der Regel nur 1000 Euro vor allem an Privatanleger. Einige Unternehmen wie die hessische Großbäckerei Heberer verkaufen ihre Papiere selbst, die meisten werden an den Börsen Stuttgart, Düsseldorf und Frankfurt gehandelt.

Für Unternehmen sind die Bonds eine weitere Finanzierungsquelle neben dem Bankkredit oder der Börse. "Das Instrument ist in einer Zeit groß geworden, als die Banken die Finanzierung des Mittelstands nicht garantieren konnten", betont Schiereck. Viele Anleger hätten sich mit Zinsen abfertigen lassen, die für die Unternehmen günstiger waren als ein Bankkredit. Zudem seien Kleinanleger für die Firmen bequem, erklärt Nieding: "Diese Investorengruppe spricht [...] nicht mit einer Stimme, so dass hier keine lästigen Nachverhandlungen drohen."

Inzwischen sind die Banken bei der Kreditvergabe wieder großzügiger, Anleihenkäufer nach den Pleiten hingegen skeptischer, erklärt Schiereck. Daher ließ der Schwung am Bondmarkt spürbar nach. Nach einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC brachten Mittelständler im ersten Quartal 2014 Anleihen im Volumen von 60 Millionen Euro auf den Markt. Das waren rund 370 Millionen Euro oder 86 Prozent weniger als im Vorquartal. Im ersten Vierteljahr 2013 hatten die Mittelständler nach den Angaben sogar noch Bonds im Volumen von 675 Millionen Euro platziert./hqs/DP/zb

--- Von Harald Schmidt, dpa ---