Allg. Zeitung Mainz: Knauserig / Kommentar zur Flüchtlingspolitik, von Reinhard Breidenbach

Mainz (ots) - In diesen Tagen werden Gesetze geändert, völlig zu Recht, weil Kriminelle unter den Flüchtlingen angemessenen Sanktionen ebenso wenig entgehen dürfen, wie dies bei kriminellen Inländern der Fall ist. Aber: Auch wenn der Schock von Köln tief sitzt, so darf er doch nicht den Blick dafür verstellen, dass es eine sehr große Zahl von Asylbewerbern gibt, die Schutz bitter nötig haben. Ihnen zu helfen, ist auch, so profan es klingen mag, eine Sache von Geld. Dass darüber derzeit selten gesprochen wird, muss Argwohn erwecken. Wieso mussten die Vereinten Nationen ihre Hilfsleistungen für Lager im Libanon und in Jordanien derart kürzen, dass die Menschen dort anstatt 30 Dollar im Monat nur noch 13 Dollar zur Verfügung haben? Und: Ist es da ein Wunder, dass sich diese Menschen auf den Weg machen? Wollen die westlichen Länder etwa schachern oder knausern? Dabei geht es doch, jedenfalls in sehr vielen Fällen, um bloßes Überleben, mithilfe von 30 Dollar im Monat. Im Antwortenkatalog der Politik zum Flüchtlingsthema findet sich stets der Punkt "Bekämpfung der Fluchtursachen". Dass er weit weniger Aufmerksamkeit findet als etwa die Debatte um Obergrenzen bei der Aufnahme, ist sowohl unter dem Aspekt Humanität als auch in puncto Eigennutz schädlich. Wenn in Herkunftsländern für bessere soziale Bedingungen gesorgt wird, bleiben Menschen eher dort. Zumindest vorerst. Welche Ströme von Migranten, die vor Armut und in noch weit stärkerem Maße vor dem Klimawandel fliehen, in den kommenden Jahrzehnten auf Westeuropa zukommen könnten - darüber machen sich schon jetzt Wissenschaftler Gedanken. Sich mit diesen Gedanken peu à peu vertraut zu machen, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, erscheint ratsam.

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