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30.06.2013 19:47:58

Allg. Zeitung Mainz: Wer wir sind / Kommentar zur Spionage-Affäre

Mainz (ots) - Die gesamte Affäre um die offenbar systematische Ausspähung Deutschlands, seiner Nachbarn und der EU kreist um eine einzige Frage: Kann verantwortungsvolle Politik die Explosion technischer Möglichkeiten zur Totalüberwachung überhaupt noch mit rechtlichen und moralischen Standards in Einklang bringen? So komplex diese Frage ist, so einfach ist die Antwort: Die Verantwortlichen in Washington, London, Berlin und in anderen westlichen Hauptstädten müssen ohne Wenn und Aber die Werte der Demokratie hochhalten, ansonsten werden sie sie auf Dauer ebenso gründlich von innen zerstören wie Terroristen dies von außen versuchen. Natürlich haben die Geheimdienste uns beschützt und beschützen uns weiterhin. Aber der Verweis auf Fahndungserfolge verkommt angesichts der langsam sichtbar werdenden Dimension der Datenkontrolle mehr und mehr zum Totschlagargument. Wären diese Erfolge nicht auch mit anderen Methoden möglich gewesen? Wer weiß das schon. Die Geheimdienste werden es - wenigstens dies mit Recht - niemals verraten.

Allein, mit derlei grundsätzlichen Ausführungen ist es nicht mehr getan. Treffen die neuerlichen Vorwürfe aus der nach wie vor gründlich zu hinterfragenden Quelle Edward Snowden zu, muss Angela Merkel jetzt etwas tun, was sie so gar nicht gerne tut: auf den Tisch schlagen. In einer Welt, in der Freunde zu Angriffszielen erklärt werden und in der die hierzulande höchstrichterlich untersagte Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertüre doch Realität geworden sein könnte, muss man sich vorkommen, als sei der Kalte Krieg nie zu Ende gegangen. Insbesondere das Ausmaß, mit dem vor allem Deutschland abgeschöpft zu werden scheint, ist erschreckend. Und man muss schon sehr naiv sein, um nicht zu glauben, dass dabei nicht auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen könnten. Wir Deutschen sind aufgrund unserer Geschichte Amerika zu großem Dank verpflichtet. Aber gerade wegen dieser Geschichte dürfen, nein, müssen wir jetzt festhalten: Eine Politik, die Freunde wie Feinde behandelt, führt unausweichlich dazu, dass uns zwar weiterhin Terroristen als Wertegemeinschaft betrachten, die es zu bekämpfen gilt - während wir es selbst immer weniger sind. Verloren ist noch gar nichts. Aber uns muss klar sein, dass wir jetzt nicht mehr über durchgeknallte Schlapphüte diskutieren. Sondern über die Zukunft des Rechtsstaates, wie wir ihn kennen.

Originaltext: Allgemeine Zeitung Mainz Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65597 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65597.rss2

Pressekontakt: Allgemeine Zeitung Mainz Werner Wenzel Newsmanager 06131/485839 online@vrm.de

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