24.04.2014 20:50:00

America Movil will nach ÖIAG-Pakt Telekom für Expansion nutzen

Der Telekom-Konzern America Movil (Amov) will - nach dem beinahe gescheiterten Syndikatsvertrag mit der Staatsholding ÖIAG - die Telekom Austria (TA) nun für seine Expansion in Europa nutzen, erklärte Amov-Finanzchef Carlos Garcia Moreno am Donnerstag. Erster Schritt dafür ist die geplante Kapitalerhöhung von rund 1 Mrd. Euro. Die ÖIAG muss sich dafür mit 250 bis 280 Mio. Euro neu verschulden.

ÖIAG-Chef Rudolf Kemler nannte diesen Betrag in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Moreno. Die Summe ist notwendig, damit die ÖIAG nicht ihre Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie verliert. Die Republik will sich auf diesen Anteil beschränken. Die von einem der reichsten Männer der Welt, Carlos Slim, kontrollierte America Movil wiederum will mit dem Übernahmeangebot von 7,15 Euro pro Aktie an der ÖIAG vorbeiziehen. Welchen genauen Anteil Amov anstrebt, sagte Moreno aber nicht. Fix ist, dass die Mexikaner das ehemalige Staatsunternehmen im Amov-Konzern konsolidieren werden.

Kemler strich erneut die Vorteile des Syndikatsvertrags hervor. Die TA-Zentrale bleibe für die Vertragsdauer von mindestens zehn Jahren in Österreich. "Das ist die Jobgarantie", die Gewerkschafter gefordert hätten. Moreno ließ hingegen unbeantwortet, ob er in den nächsten zwei Jahren Jobs bei der Telekom streichen will. Dafür sei es zu früh, zuerst muss das Management umgekrempelt werden. Das Unternehmen solle aber "flexibel und produktiv" bleiben, so Moreno. Kemler sagte, dass die Rechte der rund 4.500 Beamten - das ist rund die Hälfte der 9.000 Mitarbeiter in Österreich - nicht angetastet werden.

Kemler warb erneut für den umstrittenen Syndikatsvertrag, der die beiden TA-Großaktionäre zu gemeinsamen Entscheidungen zwingt. Amov habe künftig zwar die Mehrheit in Aufsichtsrat und Vorstand, dafür gebe es in der Satzung ein Vetorecht für Kapitalmaßnahmen. Das gehe über die Rechte hinaus, die man mit der Sperrminorität alleine habe.

Den fünf Arbeitnehmer-Vertretern, die die gestrige ÖIAG-Aufsichtsratssitzung boykottierten, wirft Kemler "Wortbruch" vor. Die Betriebsräte hätten zugesichert, zur Sitzung zu kommen. Daher habe ÖIAG-Aufsichtsratschef Peter Mitterbauer zum ersten Mal in seiner achtjährigen Amtsperiode eine Sitzung geschwänzt. Er war anlässlich des 80. Geburtstages seiner Schwester auf einer Pilgerreise in Israel. Erst um 4.50 Uhr in der Früh, vier Stunden vor Sitzungsbeginn kam das "No" der Betriebsräte per SMS. Als Mitterbauer darüber verständigt wurde, stand er gerade auf den Golanhöhen, so Kemler. Er sei dann nach Tel Aviv gefahren, um mit der 16.00-Uhr-Maschine der AUA nach Wien zu fliegen. Moreno versuchte das Sitzungschaos herunterzuspielen: "Manchmal sind sogar Züge spät", meinte er dazu nur.

Einer der fünf Arbeitnehmer-Vertreter, der dem ÖIAG-Aufsichtsrat fernblieb, war der Betriebsratschef der Telekom Austria (TA), Walter Hotz. Der Bund habe seinen bestimmenden Einfluss auf die Telekom verloren, sagte er heute im ORF-Radio. Mit acht Kapitalvertretern von America Movil und zwei der ÖIAG im Telekom-Aufsichtsrat "sind wir bestenfalls ein Junior-Junior-Partner", so Hotz. Da America Movil künftig auch die Mehrheit im Vorstand haben wird, veranlasste AK-Direktor zur Aussage: "Dem von der ÖIAG bestellten Generaldirektor kommt maximal die Rolle eines Frühstücksdirektors zu".

Zur Kritik der Betriebsräte, dass man den umfangreichen, in Juristen-Englisch verfassten Vertrag nicht innerhalb eines Tages prüfen könne, sagte Kemler, dass das Kerndokument nur 32 Seiten habe, der Rest seien Anhänge. Man hätte außerdem angeboten, den Vertrag schon am Karfreitag an die Aufsichtsräte zu verteilen. Das sei abgelehnt worden, so Kemler. "Wenn 32 Seiten auf Englisch ein Problem sind, dann muss ich wirklich lachen", erklärte der ÖIAG-Chef.

Industrie, Wirtschaft und ÖVP jubelten über den Syndikatspakt. Sie sparten auch nicht mit Kritik an den Skeptikern. Der Boykott der Arbeitnehmer-Vertreter sei ein "gefährliches Spiel mit Arbeitsplätzen", meinte etwa ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Finanzminister Michael Spindelegger freute sich schon am Mittwochabend über den "starken Partner, der eine langfristige Perspektive bietet".

Der Kleinanlegervertreter Wilhelm Rasinger ging unterdessen mit dem Finanzminister hart ins Gericht. Den Telekom-Austria-Syndikatsvertrag nannte der IVA-Präsident einen "Unterwerfungsvertrag" und "Spindelegger ist ein Lehrling in der Welt der Wirtschaft". Spindelegger ist als Finanzminister oberster Eigentümervertreter der ÖIAG.

Die Grüne Abgeordnete Gabriela Moser verlangte eine rechtliche Prüfung des Beschlusses zum Telekom-Austria-Syndikatsvertrag zwischen ÖIAG und America Movil. Denn das ÖIAG-Gesetz legt den Aufsichtsrat mit 15 Personen fest, derzeit habe er aber nur 14 Mitglieder. "Die Auswirkungen dieses Verfahrensmangels müssen einer Prüfung durch die Finanzprokuratur unterzogen werden", forderte Moser. Laut APA-Infos haben 8 der 14 ÖIAG-Aufsichtsratsmitglieder den Vertrag abgesegnet. "Der Beschluss ist rechtskräftig", bestätigte Kemler.

Die Telekom Austria-Aktie kam im November 2000 an die Börse. Das damals als "Volksaktie" beworbene Papier musste am ersten Handelstag am 21. November 2000 an der Wiener Börse gleich deutliche Kurseinbußen einstecken. Heute Donnerstag, am Tag nach der Unterzeichnung des Syndikatsvertrags der ÖIAG mit America Movil von Carlos Slim, kletterte die Aktie um satte 6,30 Prozent auf 7,07 Euro.

Beobachter gehen nun davon aus, dass die Mexikaner mit dem Pflichtangebot und der Kapitalerhöhung ihren Anteil von aktuell 26,8 Prozent auf über 50 Prozent verdoppeln werden. Mit der Sperrminorität der ÖIAG kämen die Syndikatspartner dann auf über 75 Prozent aller Telekom-Aktien. Der Bund hält über die ÖIAG aktuell 28,4 Prozent der Anteile.

(GRAFIK 0505-14, Format 88 x 95 mm) (Schluss) pro/spu

ISIN AT0000720008 WEB http://www.telekomaustria.com http://www.oiag.at http://www.americamovil.com/amx/en/

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