20.10.2015 14:57:39

ANALYSE: Commerzbank hält EZB-Anleihekaufprogramm für kontraproduktiv

FRANKFURT (dpa-AFX) - Experten der Commerzbank halten das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) für kontraproduktiv. Es verfehle nicht nur die erhoffte Wirkung einer Ankurbelung der Konjunktur durch mehr Kredite an Unternehmen, sondern es habe sogar den gegenteiligen Effekt und wirke wie eine restriktive Geldpolitik, meint Lutz Karpowitz, Analyst bei der zweitgrößten deutschen Bank. Viele Experten rechnen damit, dass EZB-Chef Mario Draghi nach der anstehenden Zinsentscheidung am Donnerstag Hinweise auf eine baldige Ausweitung des Programms geben könnte.

Dass das Anleihekaufprogramm kontraproduktiv sei, begründet Karpowitz so: Zusammen mit den zurzeit negativen Einlagezinsen bei der EZB erhöhe das Programm die laufenden Kosten für die Banken. Derzeit verlangt die EZB einen Strafzins in Höhe von 0,2 Prozent auf Geld, das die Banken bei ihr parken. Höhere Refinanzierungskosten der Banken aber wirkten dämpfend auf die Kreditvergabe anstatt sie anzuregen. Banken werden laut Karpowitz durch das Anleihekaufprogramm geradezu dazu gezwungen, mehr Überschussreserven zu halten. "Denn jeder Euro, den die EZB zum Kauf von Wertpapieren ausgibt, landet zwangsläufig auf dem Konto einer Geschäftsbank, die diesen wiederum am Ende des Tages bei der EZB deponieren muss", so der Analyst.

Demnach gebe es nur zwei Ausweichmöglichkeiten. Zum einen können Banken Bargeld halten. Dies sei aber angesichts der hohen Summen, um die es gehe, nicht realistisch. Die andere Möglichkeit ist das, was sich die Notenbanker wünschen: Die Kreditvergabe an Unternehmen. Es spreche aber einiges dagegen, dass die Institute diesen Weg gehen.

Bereits vor Beginn des Anleihekaufprogramms im März 2015 habe der europäische Bankensektor Überschussreserven von rund 130 Milliarden Euro gehalten, für die er Strafzinsen zahlte. Seit dem Start des Programms sei das Volumen rapide auf 315,7 Milliarden Euro gestiegen. "Wenn es dem Bankensektor also bis dahin nicht möglich war, diese enormen Kosten durch eine höhere Kreditvergabe zu senken, warum sollte es ihm nun möglich sein?", so die Frage des Analysten./tos/jsl

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