11.12.2024 16:03:00

Arbeiterkammer plädiert für neue Industriestrategie

--------------------------------------------------------------------- AKTUALISIERUNGS-HINWEIS Neu: 2., 8. und 9. Absatz: Stellungnahmen der Gewerkschaft PRO-GE und der WKO sowie Ergänzungen zur IV ---------------------------------------------------------------------

Seit dem Frühjahr 2023 ist die Industrieproduktion in Österreich so wie in Deutschland und im Euroraum um rund 5 Prozent gesunken. In den Jahren zuvor hatte die österreichische Industrie jedoch deutlich besser abgeschnitten als jene in Deutschland bzw. im Euroraum. Damit Österreich wieder als Industriestandort punkten kann, bedürfe es einer neuen Strategie, sagte der Chefökonom der Arbeiterkammer (AK), Markus Marterbauer, am Mittwoch vor Journalisten.

Das von der AK präsentierte Maßnahmenpaket der Arbeiterkammer hat einerseits die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Aus- und Weiterbildung im Fokus. Aber auch leistbare Energiepreise seien wesentlich, betonte Marterbauer - und bekommt Schützenhilfe von Reinhold Binder, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft PRO-GE. Dieser fordert von der künftigen Regierung, die Industriepolitik in den Fokus zu rücken. Weiters sollten nach den Vorstellungen der AK Cluster in Schlüssel- und Zukunftstechnologien gebildet werden. Und die ÖBAG sollte künftig eine größere Rolle spielen, merkte der Ökonom an. Aber auch bei der Industrie sieht Marterbauer Handlungsbedarf: Hier sei eine angemessene Dividendenpolitik angebracht.

Erfolgreicher Industriestandort

Österreichs Industrie war jahrzehntelang erfolgsverwöhnt: Seit 2000 stieg die Industrieproduktion hierzulande um 78 Prozent, in Deutschland hingegen nur um 14 Prozent. Seit Anfang 2015 erhöhte die heimische Industrie ihre Produktion um 23 Prozent, in Deutschland ging sie hingegen um 11 Prozent zurück. "Für diese gute Entwicklung gibt es viele Gründe, etwa die hervorragende Infrastruktur, gut ausgebildete Fachkräfte, die kollektivvertraglichen Lohnverhandlungen, die die Interessen der Industrie berücksichtigen", hob Marterbauer die Vorzüge des Industriestandortes Österreich hervor.

Die aktuelle Industrierezession habe nach Ansicht des Ökonomen mehrere Ursachen. Die Teuerungskrise belaste insbesondere energieintensive Branchen. Vor allem in Asien sank die Nachfrage nach Investitionsgütern, was wiederum Maschinenbauer zu spüren bekamen. Weiters bremsten hohe Zinsen die Bauwirtschaft und die damit verbundenen Industriezweige. Und die Autozulieferindustrie bekam die schweren strategischen Fehler der deutschen Autobauer zu spüren.

Faktor Aus- und Weiterbildung

"Das Produktivitätswachstum muss mittels Qualifizierung und Investitionen wieder angekurbelt werden, um die Arbeitsplätze in der Industrie zu sichern", sagte Marterbauer. Daher müssten die innerbetriebliche Ausbildung sowie die Weiterbildung forciert werden. Es bräuchte laut dem Ökonomen mehr Mittel für die Qualifizierung von Beschäftigten und Arbeitslosen. Und in Krisenzeiten sollten Maßnahmen wie Kurzarbeit oder Arbeitsstiftungen mit Qualifizierung möglich sein.

Leistbare Energiepreise seien für etliche Branchen notwendig - aber auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern müssten die niedrigeren Kosten für die Stromproduktion aus erneuerbarer Energie ankommen. Der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) als Verwalterin der staatlichen Beteiligungen an Unternehmen sollte laut Marterbauer eine größere Bedeutung zukommen. Sie solle die Möglichkeit haben, Unternehmen in einer Krise mit einer Minderheitsbeteiligung zu unterstützen, sofern das Geschäftskonzept stimmig sei. Weiters sollten Cluster gebildet werden, um das Wissen der Unternehmen zu bündeln und die Zusammenarbeit voranzutreiben.

IV erkennt positive Ansätze

Allerdings bedürfe es auch einer angemessenen Dividendenpolitik, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten. "So wurden etwa in der Metallindustrie in den vergangenen Jahren zumeist mehr als 80 Prozent der Gewinne an die Eigentümer:innen ausgeschüttet. Kurzfristige Eigentümerinteressen wurden über langfristige Unternehmensinteressen gestellt", kritisierte der AK-Chefökonom.

Die Industriellenvereinigung (IV) lässt dies nicht gelten: Man übernehme tagtäglich Verantwortung für hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und weise den Vorwurf, unverantwortliche Dividenden auszuschütten, zurück. Allerdings sieht die IV in den Vorschlägen der AK positive Ansätze. Sie "begrüßt, dass die Arbeiterkammer die Bedeutung der Industrie und die aktuellen Herausforderungen für den Standort offenbar in den Grundzügen erkannt hat". Maßnahmen wie die Entwicklung einer langfristigen Industriestrategie und die Bekämpfung des Fachkräftemangels könnten einen sinnvollen Beitrag leisten. Aber man müsse auch den Kostendruck senken. Vor allem die Lohnnebenkosten und der bürokratische Aufwand sind der IV ein Dorn im Auge. Die Kollektivvertragsabschlüsse hätten dazu geführt, dass die Lohnstückkosten in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gestiegen seien - in Deutschland hingegen nur um die Hälfte, merkte die IV in einer Aussendung an.

Um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie zu verbessern, können einige der von der AK vorgeschlagenen Maßnahmen durchaus etwas dazu beitragen, teilte die Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer (WKO) mit. Allerdings bedürfe es einer Kostensenkung und einer Innovationsförderung. Eine Umfrage in der metalltechnischen Industrie ergab, dass jedes zweite Unternehmen die Produktion verlagern wolle oder zumindest mit dem Gedanken spiele, so die WKO.

fel/kre/bel

WEB http://www.arbeiterkammer.at http://www.iv-net.at/ https://www.wko.at/oe/news/wkoe-presse https://www.proge.at

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